Das Jahr des Hasen
Flammen, das Feuer war bestimmt schon vor ein paar Stunden ausgebrochen. Eben barsten unter dem Luftdruck die Fenster, und die Scherben fielen in den Schnee. Militärs nebst Gattinnen kamen in Unter wäsche aus dem großen Blockhaus gestürzt, das Ge schrei war groß. Leuchtraketen wurden abgeschossen, der Krieg der Rekruten rückte in den Hintergrund.
Vatanen hängte seinen Rucksack samt Hasen an ei nen Ast und rannte zum Blockhaus. Drum herum stan-den Menschen, in Decken gehüllt. In verschiedenen Sprachen beklagten sie die Situation. Die Hütte brannte lichterloh. Das Feuer schien in der Küche ausgebrochen zu sein, über der soeben das Dach einstürzte.
Der Generalstabschef gab mitten in dem Chaos mit lauter Stimme Befehle. Er trat von einem Bein aufs andere, denn er stand auf Strümpfen im Schnee, trug nur seine Uniformhose und keinen Waffenrock. Trotz dem wußten alle, daß er der General war.
Aus dem Gästeflügel der Hütte kamen weitere Men schen gestolpert, darunter ein paar Frauen. Vatanen erkannte mehrere von ihnen, besonders eine, die schwedische Gattin, die durch den Rauch auf den fro stigen, schneebedeckten Vorplatz geführt wurde. Sie war nackt, weinte bitterlich, ihre Silhouette zeichnete sich klar vor den lodernden Flammen ab; sie sah sehr schön aus, wie sie da, von zwei Soldaten gestützt, durch den Schnee schritt, dann aber wurde eine Decke über sie geworfen. Die Hütte war jetzt ein einziges Flammenmeer, die Soldaten versuchten mit Schnee zu löschen, einer fluchte, weil ihm fast der Helm zerschmolz.
Auch der Hubschrauber, der auf dem Vorplatz stand, drohte Feuer zu fangen. Der General schrie, wo die Piloten seien, man solle den Hubschrauber wegschaffen. Ein nackter Mann lief zur Maschine, verbrannte sich die Finger an der Luke, gelangte aber schließlich hinein, kurbelte das Fenster herunter und schrie: »Der Motor ist zu kalt, ich kann noch nicht starten!«
Der nackte Oberkörper des Mannes hing aus der Lu ke, Funken der brennenden Blockhausruine prasselten gegen das glühendheiße Blech der Maschine wie Tan nenzapfen im Sturm. Die Luke schloß sich erst, als der General schrie: »Hoch mit dem Ding, aber sofort!«
Der Beamte des Außenministeriums, auch er nur spärlich bekleidet, lief auf dem Hof herum und fragte die Rekruten, ob er von ihnen Mäntel und Schuhe leihen könne. Bald hatte er den Arm voller Kleidungsstücke und Stiefel, legte sie in den Schneematsch und machte sich daran, die nackten, in Decken gehüllten Damen einzukleiden. Eine bekam Stiefel, eine andere nur Strümpfe; Waffenröcke und Filzjoppen wurden ihnen um die Schultern geworfen, bis sie an Bienenköniginnen erinnerten, über ihre weißen Hälse stülpte man Armee-Tarnkappen.
Die sechste Kompanie des Jägerbataillons stürmte heran, und die erschöpften Männer machten am Rande des Vorplatzes Halt, auf dem der Schnee taute. Ein Offizier schrie einen Befehl, doch die Soldaten stellten sich im lockeren Halbkreis um die brennende Hütte auf. Ihre schmutzigen Skianzüge leuchteten rot im Schein des lodernden Feuers, die schwarzen, vom Frost ge zeichneten Gesichter wirkten maskenhaft starr; die Hütte schien von einer Kette junger, lautloser Mumien eingekreist. Jemand fragte nach Streichhölzern, und ein Feuerzeug machte bei den Soldaten die Runde, die sich auf ihre Skistöcke stützten.
Der schwere Armeehubschrauber startete. Der Ort wurde von lautem Geknatter, dann von Gedröhn erfüllt, und die großen Rotoren von fünfzehn Metern Durch messer durchpflügten langsam die rauchige Luft. Der General rannte gebückt zur Kanzel, um dem Piloten durch Zeichen zu bedeuten, er solle noch Leute mit nehmen. Der Beamte des Außenministeriums erkannte die Situation und führte die Frauen zum dröhnenden Hubschrauber. Vatanen nahm seinen Rucksack vom Ast und redete beruhigend auf den Hasen ein. Der war außer sich, denn zu lange hatte er bei all dem Getöse und Durcheinander hilflos am Baum gehangen.
Vatanen warf sich den Rucksack über die Schulter und kehrte zur Brandstätte zurück. Der Hase schrie, unternahm jedoch keinen Fluchtversuch – die Schnüre hinderten ihn ohnehin daran.
Der Ministeriumsbeamte geleitete die Damen unter den laufenden Rotoren zur Luke, sie wurde geöffnet, und die weiblichen Hinterteile, die in dicker Rekruten kleidung steckten, wurden hineingeschoben. Der Pilot und der Funker, beide splitternackt, halfen dabei, der General zündete sich unterdessen eine Zigarette an.
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