Das Jahr Des Werwolfs
nehmen. Ich tue hier Gutes, und wenn ich manchmal Böses tue, nun, schon vor mir haben die Menschen Böses getan. Auch das Böse dient dem Willen Gottes, das lehrt uns das Buch Hiob. Alle Dinge dienen dem Willen Gottes … und wer ist er? Soll ich Nachforschungen anstellen? Wer wurde am vierten Juli angegriffen?
Wie habe ich mein Auge verloren? Oder bat die Bestie ihr Auge verloren? Vielleicht sollte ich ihn zum Schweigen bringen … aber nicht in diesem Monat. Zuerst sollen sie ihre Hunde wieder in die Zwinger zurückschaffen. Ja …
Er geht immer schneller, er geht gebückt, und er merkt nicht, daß sein sonst so spärlicher Bart (er braucht nur alle drei Tage eine Rasur … das heißt jeweils zum richtigen Zeitpunkt) jetzt dick und rauh und drahtig hervorgesprossen ist und daß sein eines braunes Auge jetzt haselnußbraun ist und sich in der Farbe dem Smaragdgrün nähert, in dem es heute nacht leuchten wird. Er beugt sich vor und fängt an, mit sich selbst zu sprechen … aber seine Stimme wird immer tiefer, und immer mehr gleichen die Worte einem Knurren.
Zuletzt, als der graue Novembernachmittag in eine amboßfarbene frühe Dämmerung übergeht, springt er in die Küche, reißt den Schlüssel für den Wagen vom Haken an der Tür und rennt fast zum Wagen hinaus. Auf dem Weg nach Portland fährt er schnell. Er lächelt und verlangsamt seine Fahrt auch nicht, als er den ersten Schnee des Jahres in den Lichtkegeln seiner Scheinwerfer wirbeln sieht. Die Flocken sind wie Tänzer, die aus dem eisengrauen Himmel fallen. Er spürt den Mond irgendwo über den Wolken; er spürt seine Kraft; seine Brust weitet sich, und sein weißes Hemd beginnt, an den Säumen zu reißen.
Er schaltet im Radio einen Rock-Sender ein, und er fühlt sich einfach … großartig!
Und was später in dieser Nacht passiert, mag ein Gottesurteil sein oder ein Scherz jener älteren Götter, die die Menschen in mondhellen Nächten aus der Sicherheit ihrer ringförmig angeordneten Steinwälle heraus anbeteten — oh, es ist schon komisch, sehr komisch, denn Löwe ist bis nach Portland gefahren, um sich in die Bestie zu verwandeln, und der Mann, den er in dieser verschneiten Novembernacht schließlich zerreißen wird, ist Milt Sturmfuller, der sein ganzes Leben in Tarker’s Mills zugebracht hat… und vielleicht ist Gott trotz allem gerecht, denn wenn es in Tarker’s Mills ein hochkarätiges Arschloch gibt, dann ist das Milt Sturmfuller. Er ist an diesem Abend, wie schon an anderen Abenden, nach Portland gekommen. Seiner lädierten Frau Donna Lee hat er erzählt, daß er geschäftlich hier sei, aber sein Geschäft ist eine Nutte namens Rita Tenison, die ihn mit einem höchst aktiven Fall von Herpes infiziert hat, der von ihm schon an Donna Lee weitergegeben wurde, die in all den Jahren ihrer Ehe andere Männer noch nicht einmal angesehen hat.
Reverend Löwe ist in einem Motel namens The Driftwood abgestiegen, das in der Nähe der Strecke Portland—Westbrook liegt, und dasselbe Hotel haben an diesem Novemberabend auch Milt Sturmfuller und Rita Tenison gewählt, um ihr Geschäft zu besorgen.
Um Viertel nach zehn kommt Milt nach draußen, um eine Flasche Bourbon zu holen, die er in seinem Wagen gelassen hat. Er beglückwünscht sich dazu, daß er in dieser Vollmondnacht so weit von Tarker’s Mills entfernt ist, als die einäugige Bestie ihn vom Dach eines schneebedeckten Peterbilt anspringt und ihm mit einem gewaltigen Ruck den Kopf abreißt. Das letzte Geräusch, das Milt Sturmfuller in seinem Leben hört, ist das schrill ansteigende Triumphgeheul des Werwolfs; mit weit aufgerissenen Augen rollt sein Kopf unter den Peterbilt, und die Flasche Bourbon entgleitet seinen zuckenden Händen, als die Bestie ihre Schnauze in seinen Halsstumpf wühlt und zu fressen anfängt.
Und am nächsten Tag wird Reverend Löwe in der Baptistenpfarrei in Tarker’s Mills sich einfach … großartig fühlen, und er wird den Bericht über den Mord in der Zeitung lesen und fromm denken: Er war kein guter Mensch. Alle Dinge dienen dem Herrn.
Und anschließend wird er denken: Wer ist der Junge, der die Notizen schickt? Wer war es im Juli? Es ist an der Zeit, das festzustellen. Es ist an der Zeit, sich doch einmal Klatsch anzuhören.
Reverend Löwe rückt sich die Augenklappe zurecht, blättert in der Zeitung weiter und denkt:
Alle Dinge dienen dem Herrn; wenn es der Wille des Herrn ist, werde ich ihn finden. Und ihn zum Schweigen bringen. Für immer.
Es ist
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