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Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Titel: Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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weiche Haut am Handgelenk. Sie lächelt.
    »Tine, du bist getauft.«
    Was soll denn das jetzt? Ich nehme erst mal meine Hand weg. Hab ich das eben richtig gehört? Oder spinnen meine Ohren?
    »Was bin ich?«, frag ich lieber noch mal nach.
    »Getauft! Das war mein Geheimnis«, sagt sie erleichtert.
    Ich dreh mich auf den Rücken und glotze zur Decke hoch, liege stumm da. Ich weiß erst mal nicht, was ich dazu sagen soll. Hat das irgendeine Bedeutung?, frage ich mich. Muss ich mich ab jetzt getauft fühlen? Oder bleibt alles, wie es war? Ich weiß darüber nichts, einfach null. Ich bin auch nicht besonders geschockt oder so. Warum auch? Wenn sie jetzt gesagt hätte: Also weißt du, Tine, du bist ein Kind aus dem Reagenzglas, und ich weiß nicht, wer dein Vater ist, hätte mich das mehr in Panik versetzt. Aber eine Taufe? Ist doch nicht so wichtig. Aber sie hat daraus ein Geheimnis gemacht. Das ist seltsam.
    Ich drehe mich wieder auf die Seite und sehe sie an. Ich will noch ein bisschen mehr darüber wissen. »Und wieso?«
    »Als meine Mutti starb, hat sich mein Vater gewünscht, dass du getauft wirst. Für mich hat das nichts bedeutet, aber ihm war es wichtig. Du bist kurz nach ihrem Tod geboren, weißt du.«
    Nein, wusste ich bisher noch nicht. Aber ich sag jetzt lieber nichts.
    »Er war sehr traurig und zugleich gefasst. Er hatte ebenfalls so ein tiefes Vertrauen ins Leben. Trotzdem hat er getrauert. Und dann hat er diesen Wunsch geäußert, als du so ganz frisch und neu warst, wie Maria im Sommer. So winzig, so zart, so ein Wunder. Ich habe ja gesagt, ich mach das, Vater, wenn du es willst. So bist du getauft worden. In der Kirche in der Südvorstadt, dort, wo wir früher gewohnt haben.«
    Na klar, die Kirche kenne ich. Groß und mächtig, ganz nah am Connewitzer Kreuz, mit unglaublich lauten Glocken.
    Dann erzählt sie mir noch ganz viel. Von dem Gottesdienst und dem Pfarrer, den mein Großvater sehr mochte, von der Musik und wie ich mein Köpfchen gedreht hatte, um alles zu hören. Sie verrät mir, dass ich eine Patentante und einen Patenonkel habe. Die Patentante ist Tante Lina, die alte Dame, die wir zweimal im Jahr in einem Altenheim im Süden von Leipzig besuchen und die Mellas Jugendweihekasse aufgefüllt hat, bis es zum Fahrrad gereicht hat. Eine sehr freundliche alte Frau. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich schlage mich nicht gerade darum, in das Heim zu fahren. Dort riecht es beißend. Der Patenonkel heißt Andreas und war ein Freund meines Vaters. Der hat sich ebenfalls schon seit Jahren nicht mehr blicken lassen. Auch gut.
    »Weiß das Mella eigentlich?«, muss ich sie fragen.
    »Nein.«
    »Und warum nicht, bitte schön?« Jetzt kommt mir das Ganze doch wunderlich vor.
    »Sie war nicht dabei. Dein Vater hielt nichts davon. Er ist mit ihr zu Hause geblieben und später haben wir nicht mehr darüber gesprochen. Als dann der Opa starb, ist die Erinnerung an deine Taufe eine echte Nebensache geworden.« Bis heute.
    Nachdem meine Mutter gegangen ist, liege ich da und denke nach. Der Zusammenhang zwischen meiner Taufe und dem Tod ist das Unheimlichste an der ganzen Geschichte. Aber ansonsten denke ich, dass wir jetzt endlich wieder zur Tagesordnung übergehen könnten. Genug solches Zeug. Damit reicht es jetzt. Ich denke an Mella und hoffe, dass sie nicht gerade am Strand liegt und erfriert. Dann schlafe ich ein.
    Mella ist wieder da. Alles beim Alten. Fast. Es gab eine Aussprache, aber ich war nicht dabei und kann also nichts davon berichten. Mir hat Mella nur erzählt, dass die Eltern von Tom wirklich reich sein müssen. »Du hättest das Haus von denen mal sehen sollen. Das ist ihr Ferienhaus, und ich wäre schon aus dem Häuschen, wenn wir das als normales Wohnhaus hätten. Ich kann dir sagen! Da sind sogar Blumen auf der Klobrille.« Wir feixen.
    Wie es mit Tom war, erzählt sie nicht genau. Ich habe aber das Gefühl, dass die Liebe da oben ein bisschen gelitten hat. Jedenfalls hat sie sich in den letzten Tagen seltener mit ihm getroffen. Aber ich frag sie nicht. Ich trau mich nicht. Ich sage ihr nur, dass ich das mit Boltenhagen nicht verraten habe, dass ich aber froh war, es zu wissen. Ich hatte sogar im Atlas nachgesehen, wo das liegt.
    »Ich weiß«, sagt sie da. »Mami hat mir schon zu verstehen gegeben, dass du geschwiegen hast wie ein Grab.«

8
    Meine Mutter will nach den Februarferien wieder arbeiten gehen und Maria muss an die Kinderkrippe gewöhnt werden. Wir bringen sie alle vier am ersten

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