Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Titel: Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
Vom Netzwerk:
Dass du so schlecht denkst! Das halte ich nicht aus! Lass mich in Ruhe! Weg!« Sie schüttelt Mutters Hand ab, die ihr über den Kopf streichen will. »Ich liebe den, und du sagst, er fährt mich tot!«
    Sie hat irgendwie Recht, finde ich. Aber Mutter auch. Mist! An diesem Abend löst sich das nicht mehr auf.

6
    Mutter und Carsten , der Maria im Tragetuch hat, machen einen Spaziergang. Die Kleingärten vor unserm Haus führen auf verwinkelten Wegen an winterfest gemachten Holzlauben vorbei in den Auenwald. Dorthin sind sie unterwegs. Sie gehen bestimmt Hand in Hand. Mella ruft währenddessen Tom an und steckt ihr Waschzeug in die Handballtasche.
    »Mach’s gut!«, sag ich und trete ihr in den Weg. »Aber sag mir wenigstens, wohin du fährst.«
    »Was geht dich das an?«
    »Ich muss den Stress hier aushalten, der nachher losgeht. Und du weißt, dass ich Streitpanik habe.«
    »Was hast du?« Ach ja, ich hatte ihr meine Diagnose noch nicht mitgeteilt. Sie war ja auch die ganzen letzten Tage eingeschnappt gewesen.
    »Ich habe Panik. Angst vor Streits. Alles klar?«
    »Ach, Tine, lass mich in Frieden. Ich bin kein Kind mehr, ich will endlich weg hier. Verdammt. Außerdem hast du meine Handynummer. Wenn du mir eine Nachricht auf die Mailbox sprichst, ruf ich dich zurück. Versprochen! Aber wenn ich dir sage, wohin ich fahre, dann fahren sie mir vielleicht nach!«
    »Quatsch. So blöd sind nicht mal Carsten und unsere Mutter.«
    »Lass mich jetzt vorbei.«
    Ich bleibe stehen.
    »Los, lass mich vorbei.«
    Ich halte sie jetzt sogar an den Armen fest. »Mella, sag mir, wohin du fährst, oder ich schmeiß mich hier auf den Boden und kriege einen Tobsuchtsanfall.«
    »Na los! Ich lach mich krank.«
    Ich weiß, dass das nichts nützt. Aber ich will wissen, wohin sie fährt. »Oder ich rufe dich rund um die Uhr an.«
    »Hör auf, Tine! Ich sag es dir nicht. Und damit basta.« Sie macht sich los, schnappt sich die Jacke und alles, flitzt aus der Tür und ist weg.
    Ich renne zum Fenster, reiße es auf und sehe Tom unten stehen. Der muss völlig ahnungslos sein, oder? Ich probier es aus: »Eh, wohin fahrt ihr eigentlich?«
    Der guckt hoch, und bevor Mella unten ist, antwortet er: »Nach Boltenhagen!«
    Alles klar, jetzt können sie fahren. Ich mach das Fenster zu und wappne mich schon mal gegen die Sturmflut der nächsten Stunden. Ich höre ein bisschen Musik.
    Während ich überlege, was das Wort »wappnen« bedeuten könnte, und gerade mitten im Gedanken über mein Wappentier bin – ich würde eine Ratte nehmen –, kommen Mami und der Familienrest nach Hause. Sie ziehen sich aus, reden und lachen. Maria plappert mittenrein.
    Die Tür geht auf. Meine Mutter sieht mich auf der Couch liegen. Sie hat Maria mit wachen, hellen Augen und von der Kälte geröteten Bäckchen auf dem Arm. »Wo ist Mella?«
    »Schläft.«
    Lügen haben kurze Beine. Meine Mutter klettert auf die ersten drei Stufen der Hochbettleiter und streckt sich. Sie kann problemlos sehen, dass da keine Mella ist. Das habe ich vergessen. Ich hätte noch eine Bettdeckenwurst machen müssen. So wie früher, wenn ich im Schrank war und Mutter so tat, als würde sie sich von der Bettdecke täuschen lassen.
    »Wo ist sie?«
    »Bei Tom.« Das stimmt ja sogar.
    Sie guckt mich an. »Okay. Hilfst du mir Abendbrot machen?«
    Ich decke den Tisch für fünf, als wäre ich blöd. Maria hat einen knallroten Plastikteller, auf dem während der ganzen Mahlzeit eine zerquetschte Banane braun wird. Manchmal leckt sie etwas davon von meinem Finger, während sie auf meinem Schoß sitzt. Sonst bevorzugt sie zu den Mahlzeiten noch immer Muttermilch.
    Mella kommt nicht. Mutter sieht mich an. Ich weiß alles, aber ich darf nichts sagen. Ich weiß sogar, dass meine Mutter von mir erwartet, dass ich Mella jetzt nicht in die Pfanne haue. Petzen ist auch so was, das sie nicht leiden kann. Also wird es ganz still am Tisch.
    Dann sagt Carsten: »Jetzt ist sie also doch an die Ostsee gefahren. Und wir können nur hoffen, dass es ihr gut geht und sie fröhlich wiederkommt.«
    Das klingt irgendwie übertrieben, aber so ist nun mal die Lage. Mella ist erwachsen. In ihrem Alter haben schon fast alle Sex gehabt und so. Ich hab von mir ja schon manchmal das Gefühl, hinterher zu sein. Bei Mella bin ich mir nicht sicher.
    Aber, na ja, wer weiß. Das ist ein heikles Thema.
    Ich wüsste gern, ob meine Mutter sich auch deshalb Gedanken macht. Mit mir hat sie bisher nur über Menstruation und Bauchschmerzen,

Weitere Kostenlose Bücher