Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman
Krankendienst zu machen. Sie hat dann Frühschicht und kann beizeiten zu Hause sein. Man merkt ihre medizinische Routine. Sie ist schon richtig erwachsen.
18
Ich konnte Manu davon überzeugen, einen Tag später in die Stadt zu gehen. Maria ist inzwischen zwar besser drauf und fröhlicher, aber nicht gesund genug für einen anstrengenden Einkaufsbummel. Manu war traurig, dass sie Maria nun doch nicht sehen würde, aber ich habe die Terminverschiebung gleich mit einer Einladung verbunden und gesagt: »Du kannst gern mal wieder zu uns kommen. Meine Mutter und Maria würden sich garantiert freuen.« Aber Manu ist nicht darauf eingegangen. Seltsam.
Jetzt zieht sie an ihrer Zigarette. Beim Ausatmen vernebelt der Rauch ihr Gesicht. Wir sitzen im Spizz, einer Kneipe am Markt. Ich trinke eine heiße Schokolade, Manu hat sich einen Milchkaffee bestellt. Mir tun die Füße weh. Wir sind die ganze Zeit durch die Stadt gelaufen und haben nichts gefunden, was ich Mella schenken könnte. Ich bin frustriert. Manu hat sich ein rotes T-Shirt bei H&M gekauft, das ihr richtig gut steht. Sie hat immer irgendwoher Geld. Ich könnte mir nicht mal eben was kaufen. Bei uns ist das so, dass meine Mutter mit uns Einkaufstage einlegt, und dann werden wir mit dem bestückt, was wir brauchen. Ich habe Manu neidisch beobachtet, wie sie selbstsicher das Teil ausgesucht und an der Kasse bezahlt hat. Dabei hat sie noch mit den Sachen rumgespielt, die es an der Kasse so als Schnäppchen zu kaufen gab.
Wir waren ewig bei der Unterwäsche und haben uns kichernd die Push-up-BHs angeguckt. Doch vor allem über die großen Größen hat sich Manu amüsiert. Sie trägt manchmal selbst solche BHs. Überhaupt hat sie oft ziemlich raffinierte Unterwäsche an. Das habe ich in der Umkleide gesehen. Ich habe vielleicht gestaunt. Ich dagegen bin wirklich noch ein Kind, ist eben so.
Eigentlich sollte das Einkaufen für meine Schwester ratzfatz erledigt sein. Schließlich will ich noch mehr von Manu. Ich will sie auf das Schlampengerede ansprechen, ich will mit ihr reden und sagen, dass ich das alles großen Mist finde. Heute ginge das gut. Sie ist völlig locker.
Bloß ich komme nicht zur Sache. Nicht einmal mein erster Punkt ist abgehakt. Ich habe nichts für Mella finden können, dabei ist übermorgen schon ihr Geburtstag. Beim Trinken blicke ich auf die Kerzen, die auf den Tischen stehen. Es ist total voll hier, die Luft ist zum Schneiden. Die Musik liegt wie ein dunkler Teppich über der Szene – eine raue Männerstimme. Ich bin hier die Jüngste. Als ich zahlen will, lädt Manu mich ein. Gut so! Hab ich noch drei Euro mehr für ein Geschenk. Inspiriert von den Kerzen, weiß ich plötzlich, was ich kaufen will. »Los, wir gehen noch mal in diesen Prasselladen. Ich kaufe so ein Windlicht.«
Also machen wir das. Ich erstehe ein mattweißes Wind licht aus Blech, das gut in den Orient passen würde. Mella kann es sich auf den Schreibtisch stellen und im Sommer zur Freude der ganzen Familie auf dem Balkon deponieren. Es ist kein besonders originelles Geschenk, aber besser als keins.
»Denk dir doch noch einen schönen Spruch aus, irgend was über das Licht und das Leben oder so«, meint Manu.
»Was für einen Spruch?«, frage ich sie ratlos.
»Du bastelst Mella eine Karte und auf die schreibst du so was hier …« Dabei dreht sie an dem Kartenständer vor der Buchhandlung, an der wir gerade vorbeigehen. Tatsächlich sind da massenweise Karten mit weisen Sprüchen drauf.
»Und was hättest du für einen Vorschlag?« Ich bin doch keine Dichterin. Und ich habe noch nie über Licht im Zusammenhang mit dem Leben nachgedacht. Ich weiß aus Bio, dass Licht sehr wichtig für alles Leben ist, aber jetzt mit Mella …?
»Wir wär’s damit: ›Dass du immer ein Licht haben mögest, das dir in der Dunkelheit den Weg weist‹.«
»Kannst du mir das gleich aufschreiben?«, frage ich Manu und schwanke zwischen Spott und Anerkennung.
»Nö, denk dir selbst was aus. Kann ja auch schlichter sein. Vielleicht: Ich wünsche dir, dass du oft mit diesem Licht an das kleine Licht – deine liebe kleine Schwester – denkst.«
»Miststück«, zische ich. Aber die Idee ist gut. Ich weiß sogar schon, wie ich zu einem tiefsinnigen Spruch kommen könnte. Wozu gibt es denn das Internet?
Ich bin Manu echt dankbar, schließlich ist sie den ganzen Nachmittag mit mir rumgezogen.
»Willst du vielleicht am Samstag zu uns zum Kaffeetrinken kommen?«, frage ich sie. »Carstens Eltern
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