Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman
wird.
»Ich bin froh, dass endlich Frühling wird, da will ich nicht in eine kalte Halle und dort rumfrieren«, kanzelt sie mich ab. Wenn ich sie jetzt frage, ob wir schwimmen gehen wollen, höre ich sie schon sagen, dass sie froh ist, dass noch nicht Sommer ist. Und da wird mir klar, dass sie keine Lust hat, sich mit mir zu treffen. Jedenfalls kommt mir das so vor.
»Ich dachte, wir könnten uns mal wieder treffen«, versuche ich es noch mal und schlucke meine Panik runter.
»Ich habe aber keine Lust, Tine«, sagt Manu geradeheraus.
»Was hab ich denn getan, dass …« Ich frage sie das wie in einem Liebesfilm, und schon beim Fragen ist mir klar, wie sinnlos das ist.
Sie unterbricht mich und sagt natürlich: »Du hast nichts getan, Tine. Ich habe nur einfach keine Lust, irgendjemand zu treffen. Ich reiß jetzt hier das Training runter und dann fahr ich nach Hause.«
Dabei sieht sie echt schlecht aus. Ich kann das nicht zulassen. Ich beobachte sie einen Augenblick lang. Sie zieht den Trainingsanzug über und ich stehe mit meiner Sporttasche in der Hand da wie bestellt und nicht abgeholt. Die Garderobe wird immer voller. Die Volleyballspielerinnen drängeln sich rein und die Mädchen meiner Sportgruppe sind noch nicht fertig. Die Luft steht und es stinkt nach Schweiß.
Manu hat sich abgewandt und schnürt ihre Turnschuhe zu.
»Na, spielst du doch wieder mit?«, fragt mich eine Nette aus der achten Klasse.
»Nö, ich hatte nur bis eben Training«, sage ich und komme endlich wieder in Bewegung und verschwinde. Ich werde Manu später abholen, das steht fest. Ich werde auf sie warten.
Als hätte sie es geahnt, kommt sie hinter mir her und hält mich am Arm fest. »Vielleicht treffe ich mich nachher mit Graf. Also lass mich in Ruhe!«, zischt sie mich an.
»Aber ich brauche deinen Rat«, kommt mir der rettende Gedanke. Sie geht gern in die Stadt und kennt sich in den Geschäften echt gut aus. Ich könnte ihre Hilfe wirklich gebrauchen. Also sage ich: »Meine Schwes ter wird achtzehn, und ich dachte, du kannst mit mir was einkaufen gehen.«
Wie ich das schon öfter erlebt habe, ändert sich schlagartig ihre Stimmung. »Sag das doch gleich. Woran hast du denn gedacht?«, fragt sie mich ganz normal.
»Das weiß ich ja eben nicht. Und außerdem haben wir ewig nicht mehr miteinander gequatscht.«
»Hast ja recht. Wie ist es mit morgen Nachmittag?« Sie macht mir ein Angebot!
»Dann müssen wir Maria mitnehmen. Ich bin morgen dran mit Aufpassen.«
»Klar, können wir machen. Das fände ich total gut! Ich habe sie ewig nicht mehr gesehen.«
Wie ich mich freue! Ich habe mein Ziel erreicht. Wir werden uns treffen. Sie wird mir garantiert beim Einkaufen helfen können und danach werden wir uns irgendwo hinsetzen und ich kann – wenn ich mich traue – noch mal mit Graf und so anfangen. Ich muss mich trauen. Oh, lieber Gott, mach, dass ich mich überwinde. Bist du für so was zuständig?
Als ich später zu Hause bin, geht die Freude in Windeseile den Bach runter. Maria sieht aus wie ein Streuselkuchen. Sie hat Windpocken und kann nicht in die Krippe. Ich muss morgen Nachmittag auf sie aufpassen, aber ich darf sie unmöglich zum Einkaufen mit rausschleppen.
»Mal sehen, wie es ihr geht«, sagt meine Mutter auf meine Frage. »Aber länger als eine halbe Stunde darf sie keinesfalls raus. Sie muss schlafen.«
Maria weint und jammert. Meine Mutter hat für nichts anderes mehr den Kopf frei. Später, als die kleine Maus endlich erschöpft schläft, sitzt meine Mutter am Küchentisch und sieht ziemlich kaputt aus.
»Kannst du morgen Vormittag zu Hause bleiben?«, fragt sie Carsten.
»Ja, aber dann müsste Tine ganz pünktlich nach Hause kommen. Dann lege ich alle Termine auf nachmittags und abends.«
»Kann ich sie denn allein versorgen?« Ich habe immer große Angst, wenn es Maria nicht gutgeht, weil ich ja keine Ahnung habe, was man machen muss, wenn irgend was Schlimmes passiert.
»Eigentlich sind Windpocken ganz harmlos«, sagt meine Mutter. »Kann sein, dass sie morgen schon wieder ziemlich vergnügt ist. Du kannst ja anrufen, wenn dich etwas beunruhigt.«
Das weiß ich, schließlich ist meine kleine Schwester nicht das erste Mal krank, aber dann ist es immer so, als wäre mein größter Schatz gerade dabei, im Meer zu versinken. Ich mache mir echt unnötig schwere Gedanken.
Als Mella nach Hause kommt, nimmt sie die Nachricht völlig gelassen und bietet sich auch gleich an, am übernächsten Tag den
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