Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman
Internet«, sage ich etwas tonlos.
»Kann ja sein, aber eigentlich ist es aus der Bibel«, wiederholt Carsten.
»Du hast was aus der Bibel zitiert!« Meine Mutter ist völlig begeistert.
»Danke«, sagt Mella.
Ich schweige. Das ist die reinste Katastrophe. Tatsächlich rennt Carsten zum Bücherregal und greift nach seiner Bibel, die er mit in unseren Haushalt gebracht hat. Wir hatten vorher so was nicht, Ehrenwort! Und als er eine Weile geblättert hat, wird er tatsächlich fündig. Ich versinke fast im Boden.
Aber Mella rettet die Situation und sagt doch allen Ernstes: »Das ist trotzdem toll. Ein Bibelspruch kann auch nicht schaden, oder?«
Ich bin ihr zwar dankbar und glaube ihr sogar, aber trotzdem bin ich völlig verunsichert. Muss das unbedingt mir passieren? Oder soll das vielleicht so sein? Ich jedenfalls finde den Spruch grandios: Lebt als Kinder des Lichts. Das passt zu Mella. Und das wäre doch ein Motto für ein Leben. Das klingt auch wie ein Auftrag. Genau so, wie Carsten es damals gesagt hat. Kann das sein?
Alle anderen Geschenke sind groß, aber nicht so wichtig. Doch ein Briefumschlag hat es in sich, und als Mella seinen Inhalt vorliest, will ich auch schnellstens achtzehn werden: Omi und Opa, Carsten, Mutter und unser Vater Paul haben Geld zusammengelegt und schenken ihr den Führerschein. Mann, hat die es gut! Da hat meine Mutter wohl wirklich mit Paul geredet? Oder hat er sich selbst gemeldet?
»Treffen kannst du ihn allerdings nicht«, liest Mami meine und Mellas Gedanken. »Er ist zur Zeit in Süd af rika. Er reist mal wieder durch die Gegend. Seine zweite Ehe ist auch gescheitert und er sucht Abstand, so hat er sich jedenfalls ausgedrückt. Aber er hat das Geld schon überwiesen. Es gibt ein Führerscheinkonto, und hier ist die Summe, die da drauf ist. Was es mehr kostet, musst du selbst bezahlen.«
Mella fängt an zu weinen, so überwältigt ist sie, als sie dann noch den festlichen Frühstückstisch sieht mit Blumen rund um ihren Teller und den vielen Kerzen. Mir kommen auch fast die Tränen. Jetzt ist sie also richtig erwachsen. Ich blicke meine Mutter an und kann sehen, dass wir jetzt gleich zu dritt losflennen.
»He, Leute! Sind wir hier auf einer Beerdigung, oder was?«, fragt Carsten amüsiert. Der hat gut lachen. »Jetzt ist aber mal genug mit der Rührung. Ich habe Hunger und die Brötchen sind noch warm vom Bäcker.«
Wir frühstücken genüsslich, dann gehen wir unserer Wege. Mami bleibt mit der Heulsuse zu Hause, das Geburtstagskind geht zur Arbeit, Carsten fährt zu einem Kirchturm und ich laufe mit Ulli zur Schule.
Aber dieser Tag würde auch mich noch überraschen, und zwar heftig.
Nach der Schule fängt mich Manu ab und schleppt mich in ein kleines Café an der Ecke. Dort erzählt sie aufgeregt und hastig, dass ihre Eltern Wind von ihrer Beziehung zu Graf bekommen haben, dass sie die Schule verlassen muss und bis zu den Sommerferien Hausarrest hat.
Ich sitze da wie gelähmt. Die Eierschecke in meinem Mund wird mehr und mehr und ich kann nicht schlucken. Ich habe es kommen sehen. Ich habe es geahnt. Das würde ich ihr am liebsten ins Gesicht sagen, aber ich kann nicht. Wir haben zu lange nicht darüber geredet und sind wie um den heißen Brei herumgeschlichen. Die ganze letzte Zeit. Es dauert eine Weile, bis ich meine Sprache wiederfinde.
»Darf ich dich denn besuchen?«, frage ich, als müsste sie ins Gefängnis.
»Ja, du schon. Du bist die Einzige, weil du angeblich vernünftig und anständig bist. So haben sie sich ausgedrückt. Ich könne froh sein, dass ich dich kennen gelernt habe«, sagt Manu bitter.
Komisch, Manus Eltern kennen mich doch gar nicht. Ich habe ihre Mutter nur einmal gesehen. Manu muss also von mir erzählt haben, oder? Aber egal, Hauptsache, ich kann sie weiter sehen. Und irgendwann wird sich das bestimmt alles auflösen wie ein beschissener Traum.
Doch es ist seltsam. Ich komme mir überhaupt nicht anständig vor. Eigentlich lüge ich die ganze Zeit, weil ich Manu in Schutz nehmen will, obwohl ich das alles kaum ertragen kann.
»Ich verstehe deine Eltern.« Ich will verdammt noch mal ehrlich bleiben. »Kannst du nicht versuchen, den Typ zu vergessen?«, flehe ich sie an und muss husten, weil sich die Eierschecke jetzt in einen harten Klumpen verwandelt hat, der wie ein schwerer Brocken in meinem Mund liegt.
»Nein, ich will ihn nicht vergessen. Aber ich sollte es wohl, so hat er sich jedenfalls ausgedrückt«, sagt Manu traurig.
»Du
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