Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman
sind da und wir feiern Geburtstag.«
»Nein, nein, bleibt mal lieber unter euch.«
Als sie das sagt, bin ich beleidigt. Ich lade sie ein, damit sie meine Großeltern kennen lernt, und sie gibt mir eine Abfuhr! Dann muss sie es ja nicht nötig haben.
»Du bist ja blöd«, fauche ich sie an. »Die würden dir bestimmt gefallen. Außerdem gibt es den besten Kuchen der Welt und du könntest mal wieder neben Maria sitzen.« Ich locke sie mit allen Mitteln.
»Tine, ich habe eine eigene Familie, und ich will mir nicht immer ansehen, wie schön es bei euch ist. Kannst du das vielleicht verstehen?« Sie klingt sehr traurig.
Es ist wirklich ungerecht, finde ich auch. Die einen haben nette Eltern, die anderen supernette und manche haben irgendwie die Arschkarte gezogen. Und dabei hat Manu wahrscheinlich noch nicht mal die schlechtesten Eltern erwischt. Wer weiß denn, ob die wirklich immer so komisch sind, wie Manu sie darstellt. Ihren Vater jedenfalls habe ich noch nie gesehen. Das, was sie über ihn erzählt hat, macht ihn eigentlich sympathisch. Ich meine, dass er nachts rumrennt, um seiner Frau irgendwie zu helfen, und dass er dann mit einem Bier in der Küche sitzt. Es ist jedenfalls nicht raus, ob die Kälte, von der Manu immer redet, nur von ihren Eltern kommt. Sie ist schließlich auch kühl, sehr sogar. Manchmal fröstelt es mich richtig.
Ich sitze da und hänge meinen Gedanken nach, da sagt sie plötzlich: »Guck mal, da ist Matthias mit Katharina.«
Ich traue meinen Augen nicht. Neben »meinem« Matthias geht ein kurzhaariges, schlankes Mädchen.
»Sie kennen sich aus der Jungen Gemeinde«, klärt Manu mich auf. Vielen Dank. Ich habe noch nie von einer »Jungen Gemeinde« gehört.
»Was ist das denn?«, will ich wissen. Klingt auch nach Kirche.
Aber Manu antwortet nicht gleich, sondern sieht traurig hinter den beiden her. Und dann, als würde sie aus einer anderen Welt auftauchen, wendet sie sich zu mir und sagt: »Da kann man sich nach der Konfirmation treffen, jede Woche. Und ich glaube, es ist ganz gut dort. Mehr weiß ich auch nicht, ich war noch nie da. Jedenfalls sind sie so etwas wie ein Freundeskreis mit einem bisschen Sahne drauf, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Sahne drauf?« Nein, ich verstehe nicht, was sie meint.
»Na ja. Sie hängen nicht nur rum, sie machen was zusammen. Sie reden über ein Thema. Und der Pfarrer ist dabei.«
Das klingt nicht gerade cool. Der Pfarrer ist dabei. Vielen Dank. Das würde mich nicht gerade reizen, dahin zu gehen.
»Aber frag doch mal deinen Carsten. Der muss doch so was wissen.« Sie ist wieder genervt. Von jetzt auf gleich. Eigenartig. Aber ich muss das Carsten wirklich mal fragen. Denn wenn Matthias und Katharina da hingehen, kann es ja nicht ganz doof sein.
Die Katharina jedenfalls finde ich stark. Schon aus der Ferne sehe ich, dass sie irgendwie toll ist. Kennt ihr das? Ihr seht einen Menschen und wisst, dass ihr den oder die gern kennen lernen würdet? Sie macht einen freundlichen Eindruck. Aber da ist noch mehr. Sie wirkt irgendwie anders. Anders? Sag ma, is das so? Oder ist es vielleicht viel leichter? Das sind »Wir sind Helden« aus Berlin, eine Band, auf die Mella total steht. Ich bin schon angesteckt. Mella hat die erste CD. Manchmal hören wir sie zusammen, vor dem Einschlafen. Guten Tag, guten Tag, ich will mein Leben zurück. Ich gebe zu, ich war am Anfang entzückt, aber euer Leben zwickt und drückt nur dann nicht, wenn man sich bückt. Cool! Als könnten die mir aus dem Herzen lesen.
Wir laufen weiter Richtung Hauptbahnhof. Auf der Ecke ist ein Laden, in dem man leckere Bagels kaufen kann. Manu bleibt stehen. »Wollen wir noch was essen?«, fragt sie mich.
»Ich bin abgebrannt«, muss ich ehrlich zugeben. »Außerdem warten meine Leute zu Hause mit dem Abendbrot.«
Sie sieht mich neidisch an. »Dann eben nicht«, kommt es schnippisch von ihr.
»Ach, Manu!«, rutscht es mir raus. »Sei doch nicht immer gleich eingeschnappt. Verdammt. Ich kann doch nichts dafür.«
»Ich weiß«, sagt sie versöhnlich. »Dann mach’s mal gut.« Sie geht auf mich zu, um mich zum Abschied zu umarmen.
»Willst du mich nicht doch wieder mal besuchen? Vielleicht nächste Woche?«, versuche ich es noch mal. Ich will doch mit ihr reden! Ich hatte mir das so fest vorgenommen und jetzt ist wieder alles Mögliche dazwischengekommen.
»Vielleicht. Wir sehen uns in der Schule. Bis bald!« Sie drückt mich, dreht sich um und weg ist sie.
Ich gehe zu Fuß
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