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Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Titel: Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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nach Hause. Ich mag den Weg am Wasser und durch den Park. Dabei beobachte ich die Leute, die auf den Bänken sitzen oder in bunten Klamotten Sport treiben. Ich kenne eine Stelle, an der ich immer Eichhörnchen sehen kann. Ich laufe los und hänge meinen Gedanken nach.
    Mella macht zu Hause Krankendienst, obwohl Maria schon wieder ganz vergnügt ist. Sie ist eine fröhliche Kranke. Die Pusteln sind schnell geheilt. Wir hatten das alle, sagt meine Mutter. Eine Kinderkrankheit. Jetzt kriege ich die nicht mehr. Vielleicht sind meine Stimmungsschwankungen auch Kinderkrankheiten? Ich wachse aus meiner Haut heraus wie eine Schlange. Ich wälze mich hin und her und krieche vor und zurück. Hoffentlich mehr vor als zurück. Bloß in der Schule, da krieche ich zurück.
    Ich bin wie erlöst, seitdem meine Entscheidung, die Schule zu wechseln, die Runde in der Klasse gemacht hat. Es ist sogar so, dass mir einige schon mal in der Pause gesagt haben, wie sehr sie meinen Mut bewundern. Sie könnten das nie im Leben ihren Eltern zumuten. Da muss ich an das nächtliche Gespräch mit meiner Mami denken, als es um die Enttäuschungen ging. Was für ein Glück, dass ich diese Familie habe – dieses verrückte Pack!
    Als ich heimkomme, hockt Carsten vor der Tür und putzt Schuhe. Er lächelt mich an. »Na Tine, wie war der Tag?«
    »Ganz gut«, mehr will ich lieber nicht sagen.
    »Ich habe eine Idee«, redet er weiter. »Wenn meine Eltern da sind, würde ich gern mit euch auf zwei oder drei Kirchtürme klettern. Ich möchte meinem Vater ein paar schöne Uhrwerke zeigen. Willst du mitkommen?«
    »O ja, gern!«, rufe ich. »Können denn deine alten Herrschaften noch rauf auf die Türme?«
    »Aber bitte! Opa war mit dir schließlich auf dem Spitzberg, da ist ein Kirchturm ein Witz dagegen. Und Omi bleibt mit Maria zu Hause. Die kriegt bloß einen furchtbaren Schreck, wenn die Glocken plötzlich schlagen. Das ist nämlich ziemlich laut.« Ich freue mich.
    Später bugsiere ich Mellas Geburtstagsgeschenk unauffällig in den Kleiderschrank. Morgen habe ich noch genug Zeit, um die Karte zu basteln. Dann ist ihr großer Tag.

19
    Es kommt anders als gedacht. Maria hat einen Rückfall. Sie ist an Mellas Geburtstag weinerlich, als wäre sie auch schon in der Pubertät, wie meine Mutter leicht genervt bemerkt, bevor sie zum Telefon geht, um sich in der Uni abzumelden. Das fällt ihr schwer, aber weder Mella noch Carsten können heute Vormittag zu Hause bleiben. Ich ja sowieso nicht, ich muss zur Schule. Wir sind extra früh aufgestanden, um trotzdem ein bisschen Geburtstag zu feiern und schön miteinander zu frühstücken. Jetzt nörgelt Maria.
    Ich bin hin- und hergerissen zwischen Neid und Glück, als ich Mellas Geburtstagstisch sehe. Sie hat sogar ein Geschenk von meiner sagenhaften Patentante Lina aus dem Pflegeheim bekommen. Ich muss meine Mutter unbedingt mal fragen, wieso Mella von Tante Lina was geschenkt kriegt und ich nie. Komisch, was? Es ist eine kleine Goldkette mit einem hässlichen Bernsteinanhänger, die ich nicht im Traum hätte geschenkt bekommen wollen.
    »Oh!« Mella scheint echt beglückt.
    »Die ist bestimmt aus ihrem eigenen Schmuckkästchen. Lies doch mal die Karte vor«, sagt meine Mutter.
    » Liebe Mella, dieses Kettchen habe ich zum 18. Geburtstag von meiner Patentante geschenkt bekommen. Ich habe es aus falscher Bescheidenheit zu selten getragen. Das darfst Du nicht nachahmen. Nimm es, wenn es Dir gefällt, und trage es. Meine guten Wünsche sollen Dich begleiten. Bleib behütet!
    Deine Tante Lina. «
    Behütet? Dann hätte sie ihr doch einen Hut schenken sollen. Ich halte meine boshafte Bemerkung zurück, denn ich sehe, wie bewegt Mella von diesen Grüßen ist. Das war das erste Geschenk.
    Dann ist mein Geschenk dran. Das Windlicht löst leichte Begeisterungsstürmchen aus. Ich übertreibe ungern und bin die Bescheidenheit in Person, aber worüber sie sich wirklich freut, ist meine Karte. Ich habe das Windlicht noch mal so frei Hand ausgeschnitten, vom Umriss her, und einen klugen Spruch draufgeschrieben, den ich aus dem Internet gefischt habe.
    »Lies vor!«, fordert meine Mutter.
    Und Mella, die mich erst mit Blicken um Erlaubnis gebeten hat, liest:
    » Lebt als Kinder des Lichts!
    Liebe Mella, sei ein leuchtendes Licht für dein ganzes Leben. Kraft und Freude dazu wünscht dir deine kleine Schwester Tine .«
    »Das ist aus der Bibel«, sagt Carsten. Ich sehe ihn an, als wäre er vom Mond.
    »Das ist aus dem

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