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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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gekauft und ihm geschenkt, nachdem er sich ihr unsittlich genähert hatte.«
    »Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Tochter.«
    Ich verließ den Gastraum und ging über den Flur zu Wachses Bürotür. Ich klopfte und öffnete gleichzeitig.
    Sie saß hinter ihrem Schreibtisch, tippte die Summen eines Stapels Quittungen in eine Rechenmaschine, aus der sich ein Belegstreifen kringelte.
    »Buchhaltung für meinen Vater«, sagte sie.
    »Warum waren Sie heute Nacht in dem Haus?«
    Sie schwieg, tippte weiter ihre Quittungen ein.
    »Sie haben in dem Haus etwas vernichtet, beiseitegeschafft, nicht wahr?«
    Sie antwortete immer noch nicht, nahm sich den nächsten Beleg vor. Und plötzlich wurde mir klar, was geschehen war. Sie hatte den Einbruch in das Schulhaus nicht allein bewerkstelligt.
    »In welchem Zimmer haben Sie Scotty untergebracht?«
    Sie sah mich an. Ihre Augenbrauen hatten die gleichmäßige halbrunde Form verloren, waren Schwäne geworden.
    »Sie mussten dieses Ding beiseiteschaffen. Diese Tafel mit der dreidimensionalen Schrift, nicht wahr? Drei Tafeln lagen in dem Grab. Die Öffentlichkeit erfuhr noch von zweien. Wenn jetzt bei William Godin eine dritte Tafel aufgetaucht wäre, hätte man Scotty im Verdacht, sie zurückgehalten zu haben. Als Archäologin wäre sie erledigt, was?«
    Wachse schob die Quittungen von sich, stützte sich auf der gläsernen Schreibtischplatte ab, atmete einmal schwer. Ich nahm auf dem Besucherstuhl Platz. »Nun erzählen Sie schon. Ich bin nicht von der Polizei.«
    Wachse schüttelte den Kopf.
    »Sie wollen mich einfach benutzen und wenn auch nur als Alibi, mir aber nicht sagen, was vorgeht. Sie sind meinem Großvater nicht unähnlich. Vielleicht hat sich bei Ihnen durch die andauernde Nähe ...«
    »Halten Sie den Mund. Außerdem ist er Ihr Vater und nicht Ihr Großvater gewesen.«
    »Wie war's heute Nacht mit mir? War ich gut?«
    Sie lehnte sich zurück. »Wenn zwei Menschen miteinander schlafen, geschieht das Wesentliche in ihrer Fantasie, wozu dann die Mühsal, Kränkungen, Peinlichkeiten auf sich nehmen, einen realen Partner zu suchen?«
    »Im Prinzip stimme ich Ihnen zu. Es ehrt mich, in einer erotischen Fantasie vorzukommen. Aber Sie benutzten diese Fantasie als Alibi für einen Einbruch. Ich war also Teil eines Verbrechens.«
    Sie schwieg.
    »Wissen Sie, was ich glaube? Sie haben mich reingelegt, mich zu diesen beiden Jungen, Technik und Ton, geschleppt, zu Doktor Samson geschickt, um davon abzulenken, dass Sie diejenige sind, die eigentlich am besten über William Godin und seine Forschungen Bescheid weiß. Mehr noch, wenn Sie nicht seine Mörderin sind, dann haben Sie gestern Nacht die Gelegenheit genutzt und seine Entdeckung gestohlen, die unermesslichen Reichtum verspricht. Genau das ...«
    »Sie sollten schweigen!«
    Ich ließ mich nicht unterbrechen. »Genau das, was Sie brauchen, da Sie für alles bezahlen müssen. Sie haben das selbst gesagt: Wenn Sie als normaler Mensch angenommen werden wollen, müssen Sie dafür bezahlen. Sie haben die Mentalität William Godins. Sie bezahlen für alles.«
    Ich dachte an Eva Young und sagte: »Was kostet eine operative Verlängerung der Glieder?«
    »Sie sollten wirklich aufhören zu reden.«
    »Sie würden mich enttäuschen, wenn Sie ihn einfach nur aus Eifersucht umgebracht hätten. Geben Sie zu, Sie mussten gestern Nacht noch ein paar Beweise vernichten. Vielleicht die Kataloge mit den Kinderbildern unter seinem Bett, wie bei Doktor Samson?«
    »Schluss jetzt!« Sie stand auf.
    Ich blieb sitzen. »Verzeihung, ich verstehe nichts von solchen großen Gefühlen wie Hass und Liebe. Ich wollte William Godin nach dem biblischen Motiv Auge um Auge, Zahn um Zahn töten. Er hat mir das Leben genommen, also nehme ich es ihm. Es ist wie eine Rechnung bezahlen. Mehr nicht.«
    Sie öffnete die Tür und wies mit der Hand hinaus.
    »Es gibt im Leben zwei Dinge mit entsetzlichen Wirkungen«, sagte sie. »Ein falsches Wort und eine unterlassene Handlung. Ein gesagtes Wort lässt sich nicht mehr auslöschen. Eine unterlassene Handlung kann man nicht nachholen. Sie bleiben wiederkehrende Albträume. Leben Sie wohl. Und erlauben Sie mir, Sie bei dieser Gelegenheit als Arschloch zu bezeichnen.«
    Ich stand auf und ging in die Gaststube. Der Wirt polierte die Messingeinfassung der Zapfanlage. Ich lehnte mich auf den Tresen. »Eine Frage, Herr Wirt.«
    Er lehnte sich auf gleiche Weise mir gegenüber. Sein Gesicht kam mir näher, so nah, dass ich die tiefen,

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