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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Psychologen darüber gesprochen?«
    »Ja, daran führte kein Weg vorbei. Wenn jemand anders ist, landet er irgendwann auf der Couch.«
    »Sie wollten Ihre Mutter unbewusst bestrafen?«
    »Irgendwann habe ich angefangen, meine Geburt als Strafe zu sehen. Vielleicht schon als Baby.«
    »Strafe? Wofür. Was haben Sie getan?«
    »Nein, nein, ich war die Strafe meiner Mutter. Wieso verheimlichte sie ihre Herkunft, tauchte plötzlich auf dem Land auf? Sicher gab es bereits unter ihren Vorfahren Kleinwüchsige, und sie hätte kein Kind bekommen dürfen. Wahrscheinlich waren Bruder oder Schwester klein geblieben, und sie wollte mit der Flucht aufs Land, wo sie keiner kannte, ihre Herkunft, ihre Gene verschleiern.«
    »Aber Sie haben nie nachgeforscht?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Dann ist alles reine Vermutung.«
    Die anderen waren herangekommen. Wachse kletterte wieder schneller und zielstrebiger. Kein Pfad mehr, keine Spur, kein umgedrehter Stein, kein gebrochener Zweig, keine niedergetretene Pflanze. Wachse irritierte es nicht. Der Schweiß lief uns brennend die Haut herab, unsere Gesichter leuchteten rot. Die Haare klebten auf der Kopfhaut. Es war, als hätten wir Fieber. Mein Exbruder zog sich das Hemd unter dem Jackett aus, warf es in die Landschaft. Warum warf er nicht die Jacke von sich? Er hatte am meisten Schwierigkeiten, auf dem unebenen Boden vorwärtszukommen. Obwohl er wegen des unebenen Geländes mit Prothese lief und zusätzlich die Krückstöcke benutzte.
    »Lasst uns eine Pause machen«, rief er, setzte sich auf einen Felsbrocken, wischte sich das Gesicht. Keiner hörte auf ihn.
    Die beiden Italiener blieben neben ihm stehen, scheuchten ihn hoch. Sie wollten niemanden im Rücken, sondern die ganze Gesellschaft vor sich haben.
    Martin rief nach mir. Ich wartete, ließ ihn herankommen.
    »Die beiden Alten sind bewaffnet, sie haben mich bedroht. Was geht hier vor? Was suchen wir genau?«
    »Hast du ihre Waffen gesehen?«
    »Nein, aber ihre Gestik war eindeutig. Meinst du, einer von denen lüftet mal sein Jackett? Das sagt doch alles. Was hast du vor, willst du uns von denen hier oben abknallen lassen?«
    »Was verbirgst du unter deinem Jackett? Ich hab keinen Einfluss auf die beiden Italiener. Aber ich denke, sie werden nichts tun, denn wir werden hier oben nichts finden. Wenn mal etwas da war, entdecken wir vielleicht noch Spuren davon. Mehr nicht. Ihr alle erwartet einen Schatz. Ha, einen Schatz, als wären wir im Mittelalter oder im Kino!«
    Er hielt mich am Ärmel fest. »Und das soll ich glauben, dass hier nichts ist? Warum unternimmst du dann diese Anstrengungen? Gib es zu, du hast Großvaters Geheimnis entdeckt! Du wirst teilen müssen. Glaub ja nicht, dass du diesen Berg wieder herunterkommst. Denn wenn wir hier nichts finden, dann nur deshalb, weil du es für dich behalten willst. Du wirst das Versteck verraten oder sterben, dafür werden die beiden Mafiagestalten hinter uns sorgen. Garantiert.«
    Ich riss mich los und ließ ihn stehen. Bis jetzt hatte ich geglaubt, nichts zu finden würde alle davon überzeugen, dass nichts vorhanden war. Wahrscheinlich trieb alle die Gier an, dachten alle wie er.
    Es war ein Schotterweg. Keiner wagte den Vorschlag, eine Pause zu machen. Immer wieder geriet einer von uns ins Stolpern. Plötzlich setzte sich Wachse in den löchrigen Schatten einiger Bäume. Wir torkelten zu ihr. Fliegen und heiße Luft stürzten sich auf uns. Wir waren zu kraftlos, um sie zu verscheuchen. Jeder Sonnenfleck schwelte auf der Haut, als wäre er durch ein Brennglas gebündelt.
    Scotty hatte zusammen mit den Vorräten einen Rucksack gekauft, sie teilte zwei Flaschen Mineralwasser, Tomaten und Morzarella unter uns auf. Die beiden Italiener lehnten ab. Frank knotete sein Taschentuch, zog es als Sonnenschutz über den Schädel. Ich holte das alte Foto des Gebirgszuges mit den Schatten hervor, zeigte es allen noch einmal, bestimmte unsere Position darauf und tippte auf unser Ziel, erklärte noch einmal, warum wir dort nichts finden würden. Keiner glaubte mir.
    Wachses Gesicht war aufgequollen, aber blass. Dafür waren ihre Arme mit roten Pickeln übersät. Sie sah meinen prüfenden Blick.
    »Es geht mir gut«, sagte sie, zog sich hoch und kletterte weiter.
    Nur Scotty war mit ihren weiten weißen Hosen, der sich im Wind aufblähenden Bluse und dem großen Hut passend gekleidet.
    Keiner sprach mehr. Die Gruppe zog sich auseinander. Martin wurde immer langsamer, aber die Italiener

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