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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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zerbiss es sofort. Er lächelte über meine Versuche und sagte nichts. Von den Bonbons bekam ich keins. Sie befanden sich immer in seiner Hosentasche, weichten langsam auf. Manchmal stahl ich ihm eins, wenn er schlief. Sie lösten sich kaum noch vom Papier.
    Unter den Einkäufen befanden sich oft lebende Kaninchen oder Hühner. Er verlangte von mir, ihm zuzusehen, wenn er sie tötete. Ich schloss immer die Augen.
    Solange er das Essen vorbereitete, kochte und seinen Mittag-schlaf hielt, hatte ich Pause. Danach setzte er mich wieder vor den Kasten. Ich bekam neue Aufgaben. Landschaften, in denen ich etwas verstecken sollte. Einen goldenen Armreif, einen Diamant-ring. Oder ich formte Gebirge, die aussehen sollten, als ob sie gut schmeckten. Wenn Sie fertig waren, fotografierte er sie.
    Zahllose dieser Fotos lagen in der Hütte, hingen an den Wänden. Manche waren von seinen echten Luftaufnahmen von Gebirgen nicht zu unterscheiden. Nachts betrachtete er die Fotos, malte die Formen der Gebirge ab, blätterte in Büchern. Ich durfte ihn nicht stören. Manchmal sprang er auf, als hätte er etwas entdeckt, dann wieder warf er die Bilder von sich, zerrieb sie unter seinen Sohlen.
    Ich wusste nicht, was Großvater von mir und den Landschaften erwartete. Er gab mir keine Antwort auf meine Fragen.
    Später, als ich älter war, hätte ich fragen können, warum er so streng zu mir war. Aber ich wagte es nicht. Denn auch während meiner Schulzeit besuchte er uns regelmäßig und bestimmte mein Leben. Meine Eltern waren seine Komplizen.
    Ich kam unter der Veranda nicht mehr hervor. Ich wollte für immer darunter bleiben.
    »Komm raus, es war nur Spaß.« Seine Schuhe standen vor meinem Gesicht. Ich schob mich tiefer unter die Holzbohlen.
    »Komm schon.« Die Schuhe waren seitlich geschnürt und grinsten mich mit ihren schiefen Mäulern an. Ich antwortete nicht.
    »Es war nicht ernst gemeint. Ich musste so tun, als wäre ich wütend auf dich.« Die Schuhe drehten sich halb. Sie waren blind, die Münder vernäht. Die Füße darin mussten aus Holz sein. »Komm schon raus«, sagten sie mit zusammengebissenen Zähnen.
    Ich schob mich noch tiefer unter die Hütte. Ich würde hier unten bleiben. Als Maus. Für immer. Die Schuhe stiegen auf die Veranda, gingen über mich hinweg. »Dann bleib, wo du bist, und verhungere«, knurrten sie.
    Kurz darauf roch es nach Milchreis mit Zucker und Zimt. Es war mein Lieblingsgericht. Der Alte pfiff in der Küche ein Lied. Dann kam er heraus, hatte Melodie in der Stimme. »Das Essen ist fertig.«
    Ich hielt die Luft an, bis mir die Tränen kamen. Ich wollte sterben. Es dämmerte. Ich tastete meine Umgebung ab. Ich fand Schrauben und Nägel, einen abgebrochenen Spatenstiel, und plötzlich hatte ich ein kleines Feuerzeug aus Plastik in der Hand. Ich probierte das Rad, nur ein einzelner Funke wurde ausgespuckt. Ich drehte noch einmal, und eine kleine Flamme brannte. Ich löschte sie schnell.
    Die Schuhe kamen zurück, polterten über die Holzbohlen. Sie stellten sich vor mir auf. Blind würden sie nach allem Erreichbaren beißen. Mein Großvater beugte sich herab und schob eine Wolldecke unter das Holz. »Gute Nacht«, sagte er und: »Schlaf gut da unten. Wenn es kalt wird, kannst du ja herauskommen.« Der Kopf verschwand. Zwischen den geräuschvollen Schritten der Schuhe auf dem Holz und dem Lachen des Großvaters gab es keinen Unterschied.
    Ich rührte die Decke nicht an, zwischen ihren Falten nisteten Schlangen. Ich krümmte mich unter der Veranda zusammen. Als es ganz dunkel und alles ruhig war, zündete ich erneut das Feuerzeug an. Vorsichtig führte ich die Flamme an die Wolldecke heran.

17
    Ich hatte es gewagt, den Kasten zu berühren. Mit den Fingerkuppen strich ich die mit Messing verstärkte Kante entlang. Mein Arm begann zu zittern. Die Asiatin folgte meiner Bewegung, doch ihre Pupillen rutschten ab und zur Seite. Noch immer suchte sie einen Weg an mir vorbei. Sie traute mir noch nicht.
    »Was für eine Funktion hat der?«, fragte ich. »Historisch gesehen.«
    »Sagen Sie etwas.«
    »Ich kenne ihn aus meiner Kindheit.«
    Die Nähe des Kastens bedrohte meinen Magen. Er versuchte, sich an einer anderen Stelle meines Körpers anzusiedeln. Weiter oben. Ich ging rückwärts.
    »Ach, ich verstehe. Und weiter?« Sie schickte ein kurzes Lächeln. Ich schüttelte den Kopf. »Ich meine, gibt es keine Bezeichnung dafür? Einen offiziellen Namen?«
    »Einen Namen?« Sie blies den Atem aus.
    »Sie verkaufen

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