Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
haben.«
Das Bild meines Großvaters in einer Schaltzentrale, umgeben von Agenten und Spionen, verließ mich. Es war lächerlich, so etwas zu glauben. Mein Großvater war an die neunzig Jahre alt, befand sich wahrscheinlich in einem Altenheim. Er sabberte in einem Rollstuhl vor sich hin, wurde gefüttert, gewindelt.
Es war unmöglich, dass er mich wie früher vollständig kontrollierte.
»Bitte schlag mich nicht.« Eva blickte durch die Gitterstäbe ihrer Finger.
»Ich will meinen Großvater sterben sehen. Es muss eine Möglichkeit geben, auch einen dementen Greis im Rollstuhl so zu töten, so dass er weiß, wofür er stirbt.«
15
Ich wusste noch, wo sich Frederiks Werkstatt befunden hatte. Ich verließ das Taxi weit davor und ging an dem Gelände mit den Baracken entlang. Ein Hund schoss hinter einem rostigen Lastwagen hervor, überquerte den Platz in langen Sätzen. Der Zaun vor mir würde ihn nicht aufhalten. Niedergetretener Maschendraht, verbogene Pfosten, wie Wachs in der Sonne geschmolzen. Doch abrupt bremste das Tier, stand still. Ein deutscher Schäferhund mit elektrischen Augen, zu Zacken aufgestelltem Rückenfell. Vorsichtig ging ich weiter. Er beobachtete mich, begleitete mich knurrend, sein Atem erreichte mich.
Als ich vor vielen Jahren meinen Onkel besucht hatte, war alles noch neu gewesen. Jetzt lehnten sich die Gebäude schief an Schrott-und Müllberge, waren wie von einer Krankheit mit dunklen Schimmelflecken überzogen. Das offene Hoftor hing krumm in den Angeln. Mehrere Farbschichten entblätterten sich auf den Holzlatten. An einem Mast schaukelte ein Schild: »Grundstück zu verkaufen«.
Der Hund schnüffelte an dem Tor, tat so, als hätte er da etwas Interessantes entdeckt. Ein kurzes Knurren, ohne den Kopf zu heben, dann drehte er sich um, als ob ich nicht mehr da wäre, und trottete zu seinem Lastwagen zurück, verkroch sich darunter in einem Berg aus Papier und Kartons.
Der Hof war voller Fahrspuren mit Pfützen, in denen das Öl schillerte. Ich ging um das erste Gebäude herum. Ganz am Ende des Geländes stand eine Horde Wohnmobile ohne Reifen. Eine Fliege umschwirrte mich, wollte auf meinem Gesicht landen. Hinter der ersten Reihe Baracken eine zweite Reihe. Ölgeruch. Die Werkstatt gab es noch. Ich erkannte das Schild mit dem Wagen, der wie eine Rakete aussah. Es hing noch über dem Eingang. Doch über den Schriftzug »Frederiks Automobile« war ein neues Brett genagelt worden: »Autoreparatur-Selbsthilfe«. Das breite Werkstatttor, eine Blechjalousie, war hochgeschoben. Der Raum dahinter ein dunkler Rachen – bis zur halben Höhe mit schwarzen Streifen beschmiert und mit Handabdrücken bestempelt. Zwei alte Wagen ohne Reifen nebeneinander als gespaltene Zunge. Zahnruinen aus zusammengebrochenen Werkzeugschränken. Zerkaute Putzlappen. Niemand zu sehen.
»Hallo?«
»Hilfe!« Eine Frauenstimme.
»Wo sind Sie?«
»Hier unten. Ich stecke fest.«
Im Gewirr von Gasflaschen, Werkzeugkästen, Schläuchen, Ölkanistern und Getränkedosen ragten zwei Beine unter einem der Wagen hervor. Beine im blauen sauberen Overall mit schweren blanken Schuhen.
»Hallo?«
»Machen Sie schon, und holen Sie Ihren Wagenheber! Ich komme nicht allein heraus.«
»Sind Sie verletzt?«
»Nein. Ich komme nur nicht raus.«
»Ich habe keinen Wagenheber. Ich bin mit dem Taxi gekommen.«
»Dann nehmen Sie den Wagenheber aus dem anderen Wagen, der hier steht. Fassen Sie nicht das Auto an, unter dem ich liege. Es steht nur noch auf zwei Streichhölzern. Wenn es kippt, bin ich Matsch und sie ein Mörder.«
Ich ging um die Wagen herum, öffnete den Kofferraum des zweiten. »Kein Wagenheber da.«
»Dachte ich mir.« Sie fluchte, dann gab sie mir Anweisungen, von draußen Holzblöcke zu holen, sie unter die Achsen zu schieben und dann erst den Wagenheber aus diesem Auto zu nehmen.
»Wie ist das passiert?«, fragte ich.
Sie knurrte nur. Ich schob ihr die Holzblöcke zu, die sie unter den Wagen klemmte. Vorsichtig setzte ich den Heber an. Das Auto rutschte ein Stück zur Seite und ein Stück tiefer.
Sie schrie, und ich kurbelte an dem Wagenheber, so schnell ich konnte. Sie befreite sich, kam hervorgekrochen. Ein Mädchen, eine Schülerin vielleicht. Sie richtete sich auf, warf ihre Handschuhe von sich. Weiße raue Haut an den Fingern.
Sie warf mir einen kurzen Blick zu. »Wer sind Sie?«
»Ein Engel, mich schickt der Himmel, immer genau zur rechten Zeit.«
»Aber Wagenheber sind nicht Ihre Sache, was?«
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