Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
klemmte. Ich betätigte den Fensterheber. Er funktionierte noch. Ich zog mich hoch, zwängte mich durchs Fenster hinaus. Der Wagen schwankte. Ich stieß mich ab und sprang auf den weichen Boden. Außer einer Schramme auf dem Handrücken war ich unverletzt. Nur noch zwei, drei Autolängen, und ich wäre vielleicht zehn oder sogar zwanzig Meter tief in die Kiesgrube gestürzt. Salina war nicht zu sehen. Ihr Sprung aus dem fahrenden Auto hatte professionell gewirkt. Wahrscheinlich war sie von ihrem Vater darin unterrichtet worden, wie man fällt, sich abrollt. Ich ging langsam zurück, und dann entdeckte ich sie. Sie saß an eine Birke gelehnt und hielt sich das Knie.
»Verletzt?« Ich hockte mich neben sie.
»Jetzt haben Sie noch ein Bein auf dem Gewissen.«
»Sie wollten mich umbringen, nicht ich Sie!«
Sie stützte sich an dem Baum ab, kam hoch und humpelte auf die Straße. Vorsichtig schwenkte sie ihr Bein, probierte die Standfestigkeit ihres Knies.
»Verdammt, sehen Sie sich an, wie ich aussehe! Alles voller Dreck.« Sie klopfte den Anzug ab. Dann zog sie die Handschuhe aus. »Ich muss mir irgendwo die Hände waschen.«
Sie humpelte in Richtung des Autowracks, zog die Handschuhe wieder an. Ich folgte langsam. Mit einem Stein zerschlug sie das schon gebrochene Rückfenster, entfernte die Scherben und kroch hinein. Mit Zeitungspapier kam sie heraus, zog sich am Wagen hoch, öffnete den Tankdeckel und stopfte das Papier in den Tank. Dann zündete sie es an. Ich begann zu rennen, hörte hinter mir ihre Schritte. Sie holte mich langsam ein, lief gleichauf.
Hinter uns gab es einen dumpfen Knall. Ich sah mich um, der Wagen brannte.
23
In der Nacht wurde ich geweckt. Mein Großvater stand neben meinem Bett, hatte einen Fuß mit seinem schweren Schuh auf meine Brust gestellt und mich auf diese Weise gerüttelt.
»Steh auf.«
Er gab mich frei, ging zur Tür, machte das Licht an. Ich legte die Hand über die Augen und wollte die Decke über den Kopf ziehen.
»Ich brauche dich für einen Einbruch«, sagte er. Er kaute auf einem seiner Bonbons. »Du solltest dunkle Kleidung anziehen.«
Er ging zu meinem Kleiderschrank und wählte selbst aus. Ich setzte mich auf, rieb mir die Augen.
Seit wir in dem Einfamilienhaus wohnten, besuchte mein Großvater uns regelmäßig, mindestens alle zwei Wochen, und blieb meist einen, manchmal zwei Tage. Er besuchte Büchereien, Museen und erledigte Einkäufe. Ich hatte den Eindruck, er wollte mich kontrollieren. In letzter Zeit verlangte er häufiger die Vorlage meiner Schularbeiten. Ich brachte meine Hefte und Ordner in die Küche. Meine Mutter räumte den Tisch frei, und mein Vater verließ den Raum. Großvater blätterte die ausgebreiteten Hefte durch, ohne sie jedoch zu kommentieren. Schlechte oder gute Zensuren waren ihm gleich. Worauf es ihm ankam, wusste ich nicht.
Ich zog die dunkle Kleidung an und folgte meinem Großvater nach unten. Nirgends im Haus brannte Licht. Draußen saß mein Vater bereits im Wagen hinter dem Steuer. Wir fuhren los, und mein Großvater erklärte mir, dass ich in ein Haus klettern sollte, um dort etwas zu holen.
»Warum ich?«
»Du hast die Voraussetzungen dazu, bist klein, noch nicht ganz sechzehn Jahre alt, und wenn ich alles richtig gemacht habe, fehlt dir weitgehend das Gefühl für Angst.«
Wir fuhren in die Innenstadt, umrundeten ein altes Gebäude. Ein Museum. An der Seite hielten wir an. Mein Großvater stieg mit mir aus, fasste mich um die Schultern und zeigte auf ein schmales geschlossenes Fenster.
»Da komme ich nicht hoch. Das ist etwas für Onkel Frederik«, sagte ich. Es war etwa drei Stockwerke hoch.
Mein Großvater spuckte aus, dann zeigte er mir die Mauervorsprünge und Vertiefungen, die ich benutzen müsste.
»Ich weiß«, sagte er, »dass du sehr kräftig bist. Ich weiß das. Also wirst du dort problemlos hinaufklettern. Das Fenster kannst du aufdrücken. Es ist nicht verriegelt. Kümmere dich nicht darum, wenn eine Alarmklingel oder eine Sirene heult, du hast genug Zeit.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich schaffe das nicht.«
Er prüfte die Muskeln meines Oberarms und lachte.
Mein Großvater hatte mir vor Jahren einen Brief für den Sportlehrer mitgegeben. Darin bat er, mich von anstrengenden Übungen zu befreien, da ich eine Muskel- und Knochenschwäche hätte, es deshalb leicht zu Brüchen kommen könne. Von einer solchen Krankheit war mir nichts bekannt. Auch meine Mutter hob nur die Schultern. Sie wollte nichts dazu
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