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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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sagen. Ich habe diesen Brief niemals abgegeben. Ganz im Gegenteil meldete ich mich zusätzlich für eine Sportgruppe, die an den Nachmittagen Lauf- und Muskeltraining unternahm.
    Auf der nächtlichen Straße an der Seite des Museums war kein Mensch zu sehen. Ich setzte einen Fuß in die erste Mauerritze.
    »Warte.« Mein Großvater hielt mich an der Schulter fest. Er beschrieb mir den Weg von dem Fenster zu einem Raum. Dort stände ein Regal, aus dessen unterer Reihe ich zwei Tafeln mitzunehmen hätte. Er hängte mir einen Stoffbeutel um den Hals, steckte eine Zeitung, Zigarettenreste und ein Feuerzeug hinein.
    »Damit legst du anschließend Feuer.« Er erklärte mir, wo und wie ich das zu machen hätte.
    »Ich soll das Museum anzünden?«
    Er lachte. »Nein. Es wird nicht brennen. Es soll nur Feueralarm ausgelöst werden.«
    »Und wenn da jemand ist?«
    »Keine Sorge. Da ist niemand. Wir warten hier unten auf dich. Und du hast viel Zeit. Los jetzt!«
    Ich fasste nach einer Mauerkante und zog mich den ersten Meter am Museum hoch. Es war einfacher, als es von unten ausgesehen hatte. Das Fenster öffnete sich tatsächlich, und ich konnte nach innen greifen und mich hineinziehen. Ich landete in einer Toilette. Von dort durchquerte ich einen Waschraum und betrat den Flur. Ich lauschte nach Geräuschen. Alles blieb ruhig. Ein kleines Notlicht brannte am Durchgang zum Treppenhaus. In dem Flur standen zwischen den Fenstern steinerne Figuren, und jetzt erinnerte ich mich auch, dass es ein Museum für Geschichte und Völkerkunde war. Mit der Schulklasse hatte ich es schon einmal besucht.
    Ich fand den Lagerraum mit dem Regal. Als ich ihn betrat, klickte ein Gerät in der Ecke des Raumes und ein rotes Licht begann zu leuchten. Eine Alarmanlage. Aber alles blieb stumm. Die beiden Tafeln erkannte ich an den eingeritzten Rillen. Ich packte sie in meinen Beutel, dann ging ich nach nebenan in einen Büroraum. Alles war so, wie es mein Großvater beschrieben hatte. Neben einem Schreibtisch stand ein Papierkorb aus Blech. Er war fast leer. Ich stopfte die mitgebrachte Zeitung, die Zigarettenkippen hinein und zündete das Papier an, dann rannte ich zurück zu dem Waschraum und der Toilette. Ich beugte mich aus dem Fenster. Das Auto meines Vaters parkte noch an der gleichen Stelle.
    Jetzt stand mir der schwierigste Teil der Kletterpartie bevor. Für den Rückweg würde ich nicht überall den gleichen Halt finden. Vom Toilettenfenster aus war die nächste Mauerkante nur mit einem Sprung zu erreichen, für den ich Schwung brauchte. Ich kletterte hinaus. Die Fensterklappe schlug mir auf die Finger. Hier war kein Sims vorhanden. Meine Fingerkuppen krallten sich an einem kaum zwei Zentimeter breiten Mauervorsprung fest. Im gleichen Moment begann ein schrilles Klingeln in dem Gebäude. Der Feueralarm. Acht Minuten braucht die Feuerwehr, hatte mein Großvater gesagt, mindestens doppelt so viel Zeit wie ein geschickter und kräftiger Mensch benötigt, um die Hausmauer herabzuklettern.
    Trotz des geringen Halts meiner Finger schwang ich meine Beine hin und her, bis ich die Mauerkante mit einem Fuß erreichte. Mein Krafttraining zahlte sich aus.
    Ich verlagerte mein Gewicht, bekam eine Hand frei und langte nach einem Spalt. Jetzt erreichte ich mit beiden Händen eine schmale steinerne Querleiste. Ich sah nach unten; es gab keine Möglichkeit, die Füße abzustützen. Ich hangelte mich an der Leiste entlang bis zu einem Regenrohr. Ich kletterte daran hinab, bis es in der Mauer verschwand. Bis zur Erde waren es vielleicht noch drei Meter. Ich sprang den Rest, knickte beim Aufprall mit dem linken Fuß um und humpelte zum Wagen.
    »Idiot!«, sagte mein Großvater. »Die Tafeln hätten zerbrechen können.«
    Er holte sie aus dem Beutel und prüfte sie. Dann befahl er meinem Vater, loszufahren. Wir waren schon weit von dem Museum entfernt, als wir die Feuerwehr hörten.
    »Ein kleiner Brand genügt«, sagte mein Großvater, »damit niemand den Einbruch bemerkt. Feuer löscht Verbrechen aus. Und die Tafeln vermisst sowieso niemand.« Er klopfte mir auf die Schulter und grinste. »Wer hätte gedacht, dass du so kräftig und geschickt bist. Ich glaube, ich hätte es gedacht.«
    Am nächsten Tag verfolgte ich die Nachrichten. Es war nur von einem Schwelbrand im Museum die Rede, den die Feuerwehr sehr schnell hatte löschen können.
    Als ich aus der Schule kam, kroch mir ein süßlicher Geruch aus dem Keller entgegen. Mein Großvater goss dort unten einen

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