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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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›Gänse‹ zu mir. Erinnern Sie mich an … Vielleicht hilft mir das.«
    »Jetzt reicht's aber«, blaffte Starsh gekränkt. »Schließlich könntest du das genauso gut zu mir sagen. Damit ich auch was zum Lachen habe.«
     
    Die Maus, die erneut vom Tisch gejagt werden musste, huschte empört in eine Ecke, verschwand unter alten Büchern und allerlei Krimskrams. Der elektrische Kessel kochte erstaunlich schnell, aber vielleicht klammerte sich Ywhas Zeitgefühl auch nur einfach ans Jetzt, wollte sich ausdehnen, andauern – und auf gar keinen Fall ins Dann hinübergleiten.
    Sie versuchte sich vorzustellen, wie Klawdi Starsh wohl vor achtundzwanzig Jahren gewesen war – und scheiterte. Selbst in dem kleinen Jungen entdeckte sie ausschließlich den erwachsenen Mann.
    So wie jetzt hatte sie ihn allerdings noch nie gesehen.
    Da stand eine mächtige Eiche, unter deren Wurzeln mit Sicherheit eine Eisentruhe begraben war, die einen Ast nach dem nächsten austrocknen ließ. Ob sich in ihr Gold befand, Steine oder doch eher verweste Knochen, das wusste wohl nur die Eiche selbst.
    Heute war Ywha zum ersten Mal einem Geheimnis auf die Spur gekommen, von dessen Existenz sie bislang nur etwas geahnt hatte. Um Klawdi Starshs Hals hing ein schwerer Stein.
    Es geht um eine Frau, dachte Ywha fröstelnd, und das war keine Vermutung, sondern eine unumstößliche Gewissheit. Die Vergangenheit des zynischen Besitzers dieses Riesenbetts beherrschte das Gespenst einer Frau, die jene seltsamen Worte, damals habe es im Unterschied zu heute Leben gegeben, mit Sinn erfüllten.
    »Für mich gibt es jetzt auch keins mehr«, entschlüpfte es ihr gegen ihren Willen.
    Das durfte er nicht verstehen. Er musste jetzt erstaunt die Brauen hochziehen und »Wie bitte?« fragen.
    Und schon krochen seine Augenbrauen nach oben, hielten jedoch auf halbem Weg an, um sich über der Nasenwurzel zusammenzuziehen. Entsetzt begriff Ywha, dass ihre Worte – willkürlich hingeworfen wie ein Ball, der nicht zum Spiel gedacht war, den man gar nicht fangen sollte und der mit Sicherheit aufschlagen würde – eben doch wie ein Ball aufgefangen wurden. Und dass sie jetzt damit rechnen musste, abgeworfen zu werden.
    »Das geht vorbei, Ywha. Du darfst dir das nicht so zu Herzen nehmen. Wünsche Nasar Glück. Das ist keine Tragödie. Das ist einfach nur Freiheit.« Der unsichtbare Ball kam in ihr Feld zurückgeflogen. Wie ein Zapfen hing er in der Luft und wartete ihre Entscheidung ab.
    »Wählen Sie denn seit achtundzwanzig Jahren immer und immer wieder diese Art der Freiheit für sich?«
    Entschlossen machte der Ball kehrt – in Richtung Gegner. Klawdi schwieg. Der Dampf, der aus seiner Tasse aufstieg, löste sich mehr und mehr auf, wurde immer dünner.
    Damals, im Zimmer des Wohnheims, hatten die quietschenden Betten von zehn Mädchen Seite an Seite gestanden. Jeden Abend hatten sie in dem großen und ungemütlichen Saal über die Männer und ihre Liebe gesprochen.
    Die überwiegende Mehrheit der Vertreter des männlichen Geschlechts wurde zu unverbesserlichen Schürzenjägern erklärt. Doch der Glaube, es gebe unter all diesen Männern auch solche, die in der Lage seien, sich ihre Liebe bis zum Grab zu bewahren, war ihnen allen heilig gewesen. Wie die Schwäne – das hatte eine temperamentvolle, fünfzehneinhalbjährige Blondine mit großer Nase unablässig mit Schaum vorm Mund wiederholt. Wenn ein Schwan stirbt, verendet auch der andere.
    Ywha war sich nie sicher gewesen, ob diese Gespräche sie wirklich interessierten. In jenen Jahren hatte das Problem der Treue seitens der Männer keinerlei Relevanz für sie besessen. Noch bis vor wenigen Jahren hatte sie, so unverständlich das heute auch anmutete, lieber dicke Reisebeschreibungen gelesen als Liebesromane.
    Und jetzt saß Klawdi Starsh vor ihr, auf den ersten Blick weiß Gott kein Held aus einem Melodrama …
    Über seinem ganzen Leben lag unverrückbar der Schatten jener Frau. Über seinem flughafengroßen Bett, über seinen Verliesen, in denen er die Hexen verhörte, über der verfallenen Hütte dieser Datscha. Selbst über seinem Grab würde noch der Schatten jener Frau liegen. Das Mädchen mit der großen Nase, das Ywha etwas von der Treue der Schwäne gepredigt hatte, hatte sich all das allerdings etwas anders vorgestellt. Vom Leben hatte sie wenig verstanden, diese blonde Bettnachbarin Ywhas im Wohnheim.
    »Woran denkst du, Ywha?«
    »An nichts Besonderes.«
    »Komm, wir wollen ein Feuer machen.«
    »Für

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