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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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das Mädchen, das Gesicht zwischen den Knien verborgen.
    »Beruhige dich«, ließ sich die Frau in der Lederjacke vernehmen. »Reiß dich noch ein bisschen zusammen, schon bald wirst du nicht mehr zu ihr wollen.«
    Das Mädchen schniefte ein letztes Mal – und erstarrte, um die Frau mit großen, feuchten Augen anzugucken.
    »Stimmt«, bestätigte die Alte müde. »Wär aber schön zu wissen, was man dann will.«
    Lautlos öffnete sich die Eingangstür. Alle drehten sich zugleich um. Das Mädchen presste die Hände vor den Mund.
    Eine Frau in mittleren Jahren trat ein. Glattes, schwarzes Haar fiel ihr locker über die Schultern. Sie trug ein bodenlanges, weites Kleid, das nicht gegürtet war.
    »Kommt mit, Schwestern! Ich frage euch zum letzten Mal: Möchte eine von euch nicht mitkommen?«
    Ywhas Magen zog sich zusammen. Die Frau sah sie zwar nicht an, doch Ywha hatte den Eindruck, die Frage habe einen doppelten Boden, einen gewissen Hintersinn. Einige Minuten verstrichen in Schweigen; während der gesamten Zeit schlitterten Ywhas Gedanken über die Oberfläche sinnloser Erinnerungen, obwohl sie versuchte, sich an das Wesentliche zu klammern. Vergeblich. Sie stand an einer Schwelle, an einem Abgrund, und sie würde nie wieder die Zeit finden, sich an etwas Schönes zu erinnern, weshalb sie sich wenigstens jetzt ein letztes Mal überhaupt an etwas erinnern sollte.
    Der Tee, der in der Tasse erkaltete. Die weißen Gänse. Ein Lagerfeuer mitten im Schnee, ein orangefarbener Schal, ein zerknickter Kirschzweig, Teer, ein kaum wahrnehmbarer Geruch.
    Schluss.
    Die Frau neigte den schweren Kopf. »Gehen wir, Schwestern. Vergesst euern Kummer. Eure ungeborene Mutter wartet auf euch.«
     
    Wenn bloß nie jemand erfuhr, was ihn dieser Gleichmut kostete!
    Er fing die Blicke auf. Mit dem Nacken, dem Rücken. Alle, die sich hier versammelt hatten, wussten, dass der Großinquisitor höchstpersönlich eine Hexe hatte laufen lassen. Dass er gegen das ungeschriebene Gesetz verstoßen hatte, indem er seinen Erzfeind an der eigenen Brust genährt und sich anschließend mit der Bereitwilligkeit eines alten Dorftrottels um den Finger hatte wickeln lassen. Alle wussten das, schwiegen jedoch und wichen seinem Blick aus. Sie warteten auf einen Schritt. Von ihm.
    Schweigend nahm er auf seinem Stuhl Platz. Er bedachte sie mit einem strengen, bohrenden, hasserfüllten Blick.
    Die Mundwinkel von War Tanas, Kurator aus Rydna und sein ewiger Widersacher, umspielte ein galliges Lächeln.
    Der nervöse Mawyn, Kurator aus Odnyza, angepasst und wetterwendisch, wusste nicht, wohin er blicken sollte. Insgeheim kalkulierte er den Schaden und fragte sich, ob es nicht an der Zeit wäre, ins Lager der Opposition überzuwechseln.
    Foma aus Altyza. Ein Mann mit immensen Ausmaßen, der zwei Stühle auf einmal brauchte. Ein schlaffer Körper, in Verbindung mit einem beweglichen und schwertscharfen Verstand. Der zum Sprung ansetzte und weder Angst noch Gnade kannte.
    Der bleiche Kurator aus Korda, der jede Orientierung verloren hatte und mit kraftlos herabhängenden Armen dem Überfall der Hexen zusah. Neben ihm saß Juryz, Kurator aus dem Kreis Rjanka und vor anderthalb Monaten von Starsh persönlich ernannt. Ein trauriger Mann, dem Untergang preisgegeben.
    Antor, Kurator aus Egre. In seinen Augen lag offener Tadel: Ach Starsh, da habe ich dir immer ehrlich und treu gedient. Warum musstest du mich auf diese Weise verraten?
    Der Kurator aus dem Kreis Bernst, die »eiserne Schlange«, äußerlich entrückt, mit gleichgültigen, unergründlichen Augen. Starshs moralische Bedenken waren ihm fremd. Wenn es nach ihm ginge, durften alle Hexen unterdrückt, eingesperrt, vernichtet und mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden.
    Da saßen sie also alle, einträchtig versammelt, um über ihn das Urteil zu fällen. Hier im Palast der Inquisition, im sterbenden Wyshna. Sterbend, denn aus der städtischen Kanalisation quoll bereits der Unrat nach oben und überflutete die unteren Stockwerke der Häuser. Ohne ersichtlichen Grund gingen Bauwerke in Flammen auf und stürzten ein, explodierten Autos; über das Zeichen des Hundes, das an allen Kreuzungen aufgestellt worden war, hatten die furchtlosen Hände von Verrätern den »Hexenkreis« gemalt. Die Bewohner, die nicht imstande gewesen waren, die Stadt zu verlassen, oder dies zuvor nicht geschafft hatten, strömten nun scharenweise zum Stadtrand; unter ihren Füßen riss der Asphalt auf und entblößte schamlos die Kabel und

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