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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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geradezu ideal – zu dem barocken Ambiente, ihr unscheinbares Gesicht mit den Fuchsaugen und der feuerroten Mähne nahm sich inmitten der verschnörkelten Pracht so gut aus …
    »Dein Name passt zu dir. Lys, das bedeutet Fuchs. Und ein Fuchs bist du. Eine Füchsin. Ein Füchslein …«
    Ein fülliger Mann klopfte sanft gegen die milchige Scheibe. »Junge Dame, sind Sie fertig? Kann ich jetzt telefonieren?«
    Ywha kam heraus und überließ ihm das Telefon. Sie setzte sich auf eine Bank und presste den Riemen ihrer zerschlissenen Tasche in den Händen zusammen.
    Jeder von ihnen … Jeder Einzelne von ihnen … Was würde die Besitzerin des Antiquariats für ein Gesicht machen, wenn sie erführe, dass in ihrem Geschäft ein halbes Jahr lang eine Hexe gearbeitet hatte? Würden die Kunden nicht angetrabt kommen, um alles zurückzugeben, was Ywha ihnen verkauft hatte? Und Klokus … Ja, sogar Beta, die vermutlich die Baseballkappe wegschmeißen würde, die sie Ywha einmal ausgeliehen hatte.
    Aber was erwartete sie denn von ihnen? Wenn sogar Nasar …
    Die Knöchel ihrer Hände traten weiß hervor. Sicher, Nasar hatte ihr keinen Vorwurf gemacht. Sie selbst war es, die ihn eines Schrittes für fähig hielt, den er gar nicht gemacht hatte. Deshalb war sie fortgerannt, ohne jede Erklärung. Wie eine Verräterin, wie eine Diebin.
    Der Dicke beendete sein Gespräch. Als Ywha zur Telefonzelle zurückging, spürte sie, wie ihr Herz hämmerte und ihre Hände feucht wurden.
    Ein langes Tuten am anderen Ende der Leitung. Noch eins. Und dann noch eins.
    »Hallo?«
    Die Stimme ihres Schwiegervaters. Die Worte blieben Ywha im Hals stecken.
    »Hallo!«, erklang es nun verärgert.
    Behutsam hängte Ywha den Hörer ein.
    Ein kleiner Misserfolg zieht sofort Tränen nach sich. Das Bewusstsein, ein Fiasko erlitten zu haben, stellt sich dagegen erst langsam ein, nach und nach.
    Ywha stieg in die Metro und fuhr jeweils ein paar Stationen in die eine und in die andere Richtung. Die trügerische Freiheit raubte ihr noch den Verstand. Sie konnte gehen, wohin sie wollte – doch die Tür des kleinen Käfigs fiel bereits zu. Sie war gefangen, gefangen wie ein Füchslein. Und sie konnte nichts daran ändern.
    Sie konnte sich nicht dazu durchringen, einen ihrer Bekannten aufzusuchen. Als wäre ihr das Wort »Hexe« auf der Stirn eingebrannt. Sie hatte nicht nur Nasar verloren – sie hatte ihr Geheimnis verloren, das es ihr erlaubt hatte, glücklich in dieser glücklichen Stadt zu leben. Obwohl das natürlich Quatsch war: Wie sollte sie denn ohne Nasar ein glückliches Leben führen?
    Etwas Ähnliches hatte sie schon einmal erlebt. Erst, als sie aus ihrem Heimatdorf hatte fliehen müssen. Und dann, als sie die Ausbildung hatte abbrechen und Hals über Kopf die Stadt Rydna hatte verlassen müssen, die doch im Grunde ganz passabel gewesen war. Außerdem noch, als …
    Sie erschauderte. Dort, in jenem Brei unangenehmer Erinnerungen, verbarg sich auch ihre erste Begegnung mit einem Inquisitor. Die Übelkeit und die Schwäche, die sie damals empfunden hatte. Der ausgestreckte Zeigefinger: »Hexe!«
    Ywha fuhr zusammen und sah sich um. Der Metrowaggon war voller Fahrgäste, ab und zu schaukelte er wie eine Wiege. Die auf sie gerichteten Zeigefinger existierten jedoch nur in ihrer Phantasie. Die Leute lasen, schlummerten, unterhielten sich oder starrten mit leerem Blick auf die dunklen Scheiben.
    Sie sehen aber auch abscheulich aus, kleines Fräulein, kanzelte Ywha ihr bleiches Spiegelbild innerlich ab. Sie sollten unbedingt zum Friseur und zur Massage gehen, meine Liebe, vor allem aber zu einem Psychiater. Denn Sie haben ganz wahnsinnige Augen. Vermutlich wird man sich weigern, eine verrückte Hexe wie Sie überhaupt zu registrieren. Selbst zur gemeinnützigen Arbeit taugen Sie nicht. Die werden Sie unverzüglich auf dem Scheiterhaufen verbrennen – oder was sie heute so haben. Auf dem Lande, da gibt es mit Sicherheit noch einen primitiven Scheiterhaufen, aber hier in der Stadt werden sie wohl eher einen humanen elektrischen haben … einen Hexengrill …
    Auf einmal bedrückte sie die Fahrt in der Untergrundbahn. Wieder an der frischen Luft, brauchte sie lange, um sich zu sammeln, wobei sie so tat, als studiere sie die Zeitschriften in der Auslage eines Kiosks. Damit zog sie allerdings einige erstaunte Blicke auf sich, bis sie plötzlich begriff: Es handelte sich um ausgesprochen frivole Magazine, solche mit dem fetten Aufdruck »Für Männer«.
    Sie

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