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Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Das Jahrhundert der Hexen: Roman

Titel: Das Jahrhundert der Hexen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Dyachenko , Marina Dyachenko
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hockte im Wohnzimmer auf dem Boden. Eine Rothaarige, eine Füchsin in der Falle. Fragend sah sie ihn an – nur um den Blick prompt wieder zu senken. Ihre Augen waren zwar gerötet, aber es lag doch kein gejagter Ausdruck darin. Klawdi seufzte kurz. Es gibt doch nichts Schlimmeres als eine unregistrierte Hexe.
    »Also, Ywha … Mein Freund und dein … wenn du so willst, dein Schwiegervater ist dabei, eine Riesendummheit zu begehen. Natürlich interessiert ihn das Schicksal seines Sohnes mehr … als unsere Belange. In gewisser Weise hat er damit sogar recht. Wir warten jetzt noch eine halbe Stunde, du denkst gründlich über alles nach … und dann rufst du Professor Mytez an.«
    »Nein«, antwortete sie sofort. »Ich werde ihn nicht … nein. Ich weiß nicht, was … ich sagen soll.«
    »In Ordnung.« Theatralisch zuckte Klawdi die Achseln. »Und was dann? Was soll ich mit dir machen?«
    Wieder verkrampfte sich Ywha. Wutentbrannt rammte sie die Schulterblätter in eine Ecke des Sofas, womit Klawdi eine weitere Kostprobe ihrer potenziellen Möglichkeiten erhielt. Obwohl: Aus jeder von ihnen konnte die Initiation ebenso gut eine herausragende Kampfhexe als auch eine graue Arbeitshexe machen.
    »Ruf ihn an«, sagte er sanft. »Er verliert die Nerven. Er sucht dich … Versuch, ihn zu verstehen. Ruf ihn an … Wenn du willst, gehe ich inzwischen raus.«
    Ohne auf ihre Zustimmung zu warten, verließ er das Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Lange Zeit blieb es im Zimmer still. Irgendwann klackerten leise die Tasten des Telefons. Klaw nickte zufrieden, als er die Nummer am Klang erkannte. Er schloss die Augen und legte den Fuß über die Armlehne des weichen Sessels.
    »Ich bin's.«
    Die Stimme des Mädchens klang stumpf, aber fest. Entschlossen, ohne zu schwanken und zu stottern. Klawdi fand in der Schublade des Tisches einen Bonbon, mit dem er erst eine Weile spielte, bevor er ihn sich in die Wangentasche steckte.
    »Ich bin's … Ja.«
    Schweigen. Worüber der gute alte Professor, der am anderen Ende der Leitung schwitzte, sich jetzt wohl ausließ?
    »Ich weiß, dass es nicht richtig war.« Die Stimme der jungen Hexe wurde lauter, fraglos klang Stolz darin mit. »Aber, so leid es mir tut, ich hatte keine andere Wahl.«
    Klaw zerbiss den Bonbon. Zu spät fiel ihm ein, dass er Menthol nicht ausstehen konnte. Er hatte gemeint, seine Haushälterin gebeten zu haben, andere zu kaufen, die besser schmeckten, irgendwelche, selbst Berberitze wäre nicht so scheußlich.
    »Das verstehe ich ja.« In Ywhas Stimme schlich sich ein metallener Unterton. »Ich glaube, das müssen Sie entscheiden. Und Nasar muss sich darüber klar werden … Nein, keine Sorge, mir geht es gut.«
    Eine stolze Frau vom Land, dachte Klawdi schwermütig. Selbst nach drei Nächten auf dem Bahnhof hielt sie an ihrem Lügenmärchen von der guten Freundin noch fest, bei der sie sicher sei, es bequem habe, gern ein, gern aber auch zehn Jahre bleiben könne.
    Mit einem Mal packte ihn die Wut. Er ärgerte sich über Mytez junior wie senior, die bereit waren, dieses für sie so bequeme Märchen zu glauben. Und auch die Hexe konnte ihm gestohlen bleiben, mit diesem krankhaften Stolz der Jugend.
    »Ich?« Die Stimme der Frau verkrampfte sich. Offenbar wollte sie die Antwort herauszögern, denn sie fragte noch einmal: »Ich?«
    Eine Pause. Ein Stocken. Klawdi wusste genau, dass am anderen Ende ebenfalls jemand schwieg – in Erwartung einer Antwort.
    »Ich …« Das Mädchen stotterte. »Ich bin bei … Herrn Starsh. Ja …«
    Interessant. Da hatte Ywha also etwas von einer Telefonzelle erzählen wollen, aus der sie gerade anrief. Oder von der guten Freundin. Doch offenbar befürchtete sie, Klawdi würde die Lüge aufklären.
    »Ja«, wiederholte Ywha, und ihre Stimme klang überraschend schwach. »Natürlich.«
    Ohne ein Geräusch zu machen, erhob sich Klawdi. Die Tür seines Arbeitszimmers quietschte nie.
    Ywha stand am Fenster, mit dem Rücken zu ihm. Die Telefonschnur ringelte sich wie ein riesiger toter Blutegel über den Läufer. Ywha stand da, den Kopf in die zitternden Schultern gezogen. Der Hörer in ihrer herunterhängenden Hand sprach ununterbrochen, mit einer leicht nervösen, insgesamt jedoch angenehmen Stimme.
    Als er den Hörer aus ihren verkrampften Fingern zog, gaben ihn diese widerstandslos frei. Er hielt ihn sich ans Ohr. Das Plastik war noch warm und roch schwach nach Deo, einem teuren, wie der verwöhnte Klawdi meinte.
    »… muss

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