Das Janus-Monster
du das jemals getan, Hono?«
»Nein.«
»Eben.«
Nagato zitterte. Plötzlich wurden seine Vorstellungen tatsächlich wahr.
Er hatte sich immer gefragt, wie es wohl sein würde, wenn er mal in der gleichen Lage steckte wie seine Opfer. Da würde auch ein Killer erscheinen, abdrücken und keinen Grund nennen.
Kato war da anders. Er nannte einen Grund. »Du hast den Spiegel geraubt. Du hast dich an einem Gegenstand bereichert, der dir nicht gehört. Er hat auch nicht dem alten Mönch gehört, sondern der Person, für die er hergestellt wurde. Er ist einer der Wege des Emma-Hoo in diese Welt hinein, das hast du gewusst. Und Emma-Hoo hat durch den Spiegel die Sünden in deinen Augen gesehen. All die Taten, die du vollbracht hast, zeichneten sich darin ab. Du hast es nie erkannt, aber du bist auch nicht Emma-Hoo, der Mächtige. Er hat in dich hineinschauen können, und er weiß alles über dich. Mich hat er geschickt, um dich zu ihm zu holen. Du bist jemand für die Hölle.«
»Was willst du?«
»Dich holen!«
»In die Hölle?«
»Ja, die Jigoku wartet auf dich!«
Nagato wusste, dass der andere sein Versprechen in die Tat umsetzen würde. Hinter ihm hing der Spiegel bewegungslos an der Wand. Seine Fläche hatte ihr Aussehen verändert. Sie war nicht mehr so blank, sondern trübe geworden. Zudem glitzerte sie, als wäre sie mit zahlreichen, kleinen Eiskörnern belegt worden.
Der Killer wusste, wie tief die Falle war, in der er steckte. Er musste aus ihr hervorkommen, aber der nahe Weg zur Tür war trotzdem zu weit. Auch weiterhin lag er in seiner unbequemen Haltung am Boden.
Die veränderte er jetzt. Er drehte sich mühsam zur Seite, was Kato auch geschehen ließ.
Er griff selbst dann nicht ein, als Nagatos rechte Hand unter dem Jackett verschwand. Sehr schnell hatte Nagato seinen Revolver gezogen.
Nach jeder Tat ließ er die Waffe verschwinden. Das hätte er erst am nächsten Morgen getan. So war er froh, sie bei sich zu tragen. Er sagte sich auch, dass dieses Monstrum kein Geist war und einen Körper hatte, der auch getötet werden konnte.
Kato schaute die Waffe an. Er sagte nichts.
»Ich werde nicht mit dir in die Hölle gehen«, erklärte Nagato bestimmt. »Ich habe keine Lust dazu und schon gar nicht als lebendiger Mensch. Die Hölle ist etwas für Tote, für Verdammte, wie auch immer. Aber nichts für mich.«
»Du kommst daran nicht vorbei!«
»O ja. Mit dieser Waffe. Die Kugeln werden dir dein hässliches Gesicht zertrümmern.«
»Welches meinst du?«
Hono Nagato glaubte, sich verhört zu haben. »Ich sehe es. Ich kenne dein Gesicht. Ich schaue genau hinein, verstehst du?«
»Du siehst nur das eine.«
»Und weiter?«
»Du bist ein dummer Mensch«, erklärte Kato. Zugleich hob er seine Arme an und bewegte auch die langen, spitzen Finger, damit sie den Kopf von zwei Seiten umfassen konnten. Einmal vorn, einmal hinten.
Um die auf ihn gerichtete Waffe kümmerte sich Kato nicht. Selbst Nagato hatte sie vergessen, weil er ahnte, dass ihm etwas Einmaliges und auch Unheimliches bevorstand.
Kato bewegte nur seine Hände. Er hatte sie auf seinem Kopf gepresst gelassen, und dabei drückte er sein Gesicht nach unten, während er zugleich den Kopf senkte.
Das erste Gesicht verschwand. Ein anderes drückte sich in die Höhe, denn es baute sich von der Stirn des ersten Gesichts her auf.
Nagato begriff nichts. Er schaute zu. Er hatte seine Waffe vergessen, und er starrte dann in das zweite Gesicht hinein, das seinen Weg nach vorn gefunden hatte, während das erste zusammengefaltet sein musste wie ein ledriges Tuch.
Kato war nicht einfach nur ein Monstrum. Er war etwas Besonderes, in der Hölle geformt von den Händen eines wahren Meisters, eben von Emma-Hoo. Und dieser Herrscher hatte ihn als seinen Henker geschickt, um Menschen für ihre Sünden mit dem Tod büßen zu lassen. Und er war noch mehr. Ein Janus-Monster. Die zwei Gesichter. Beide identisch, deshalb war das eine auch nicht nur böse und das andere auch nicht nur gut.
Ein bösartiges Geschwulst. Ein Widerling. Rächer, Henker und Mörder in einem.
Nagato kam mit dieser Gestalt nicht zurecht, die ihr Gesicht einfach verschieben konnte, als bestünde es aus einer weichen Masse. Es war auch keine Maske, denn das zweite Gesicht lebte ebenso wie das erste.
Nur entdeckte der Mann einen Unterschied. Der breitete sich in den Augen aus. Auch wenn die Pupillen klein waren, gelang es ihnen nicht, die roten Punkte zu verdecken, die in der Mitte wie
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