Das Janus-Monster
konnte und die Zuwachs erhielt, denn es erschien neben der ersten Hand noch eine zweite. Sie war mit der anderen identisch, und beide Gelenke endeten in muskelbepackten Armen, die sich ebenfalls weiter aus dem Spiegel hervorschoben.
Nagato wollte nicht glauben, was er sah. Der Spiegel gehörte zwar nicht zu den kleinsten, aber für ein derartiges Monstrum war er nicht groß genug.
Trotzdem schaffte es den Weg ins Freie. Es hatte bestimmt nicht nur in der Wand gelauert. Sein Weg musste es aus den Tiefen der Jigoku in diese Welt gekommen sein. Eine andere Möglichkeit gab es für den am Boden liegenden Mann nicht.
Er war fasziniert und abgestoßen zugleich. Bei jedem seiner Morde hatte er sich stets in der Gewalt gehabt. Hier war das nicht mehr der Fall. Diesmal war es nicht sein Opfer, das vor Angst heftig atmete und auch stöhnte, denn diese Geräusche produzierte er selbst. Sie waren tief in seiner Kehle geboren und flossen über die Lippen hinweg. Aber sie hielten den anderen nicht auf, der sich immer weiter aus dem Spiegel oder der Wolke hervordrehte, so dass der Killer die Gestalt immer besser sah.
Sie war kein Mensch, obwohl sie menschliche Umrisse besaß. Für Nagato war sie mehr ein Monstrum. Etwas, das man in den entsprechenden Filmen zu sehen bekam, die von seinen Landsleuten früher immer gedreht worden waren, um die Kinobesucher mit den Katastrophen zu schocken.
Es wuchs kein einziges Haar auf dem grünlich schimmernden Körper mit fast der Haut eines Drachen, nur war diese hier glatt und zeigte keine Schuppen. Arme und Schultern sahen aus, als wären sie in einem Bodybuilding-Studio getrimmt worden. Sie hätten sogar bei denen eines Mister Universums mithalten können.
Und dann der Kopf! Auch auf oder an ihm war kein einziges Haar zu sehen. Die Haut glänzte in der gleichen Farbe wie die des Körpers. Das Gesicht war unbeweglich. Auf eine besondere Art und Weise wirkte es dick oder aufgeschwemmt, so dass Nagato der Vergleich mit einem Sumo-Ringer durch den Kopf schoss. Auch deren Gesichter wiesen diese Merkmale auf, und sie blieben ebenfalls so unbeweglich.
Das Monstrum kniete jetzt. Es starrte Nagato aus runden, tückischen Augen an, als wollte es ihn durchforschen. Ein Mund mit dicken Lippen. Eine breite, recht kleine und kompakte Nase, die nackte Stirn, der haarlose Schädel, und die verdammten Finger…
Hono Nagato sah alles sehr deutlich. Und ihm, dem Killer, wurde bewusst, dass er in dieser Gestalt seinen Meister gefunden hatte.
Dagegen würde er nie und nimmer ankämpfen können, das stand für ihn fest. Der andere würde ihn zerquetschen wie eine Laus. Welchen anderen Grund hätte sein Erscheinen haben können, als ihn zu töten?
Nagato glaubte es nicht. Er lag auf dem Boden. Fühlte sich dabei wie ein Wurm, der darauf wartete, von einer großen Schuhsohle in den Boden gestampft zu werden.
Das Monstrum kniete noch immer. Es federte dabei leicht in den Knien. Dabei sah es so aus, als wollte es sich jeden Augenblick abstoßen und auf Nagato zuspringen. Es tat nichts dergleichen. Es gab Nagato Gelegenheit, sich zu fangen.
»Wer bist du?« flüsterte Nagato. »Verdammt noch mal, sag, wer du bist, wenn du mich verstehst!«
Aus dem Maul drangen die ersten Worte, die Nagato nur mühsam verstand. »Ich bin Kato!«
»W… wer…?«
»Kato, Emma-Hoos Henker!«
Nagato schloss die Augen. Er hatte die Antwort verstanden. Sehr genau sogar. Ihm allerdings wäre es lieber gewesen, nicht gefragt zu haben, denn mit dieser Antwort kam er nicht zurecht. Er wollte sie auch nicht akzeptieren, denn das Wort Henker deutete auf einen endgültigen Tod hin.
Nagato drückte sein Gewicht gegen die Ellenbogen und stemmte sich dabei etwas höher. Diese Haltung gefiel ihm besser. Sie steckte nicht mehr voller Demut.
»Warum bist du hier?« Für diese schlichte Frage hatte Nagato lange gebraucht. Wenn er sich gegenüber ehrlich war, konnte er sich die Antwort selbst geben. Kato war gekommen, um mit ihm abzurechnen oder ein in der Jigoku gesprochenes Urteil in die Tat umzusetzen.
»Ich werde dich töten müssen!«
Hono Nagato erschrak nicht einmal. Mit dieser Antwort hatte er gerechnet. Trotzdem schüttelte er den Kopf. »Warum willst du mich töten? Hast du etwas gegen mich? Habe ich dir was getan, dass man dich nun geschickt hat?«
»Warum fragst du das?«
»Weil ich es wissen will!«
Katos Blick nahm an Kälte zu. »Hast du den Menschen erklärt, weshalb du zu ihnen gekommen bist, um sie zu töten? Hast
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