Das Janus-Monster
verfremdet. Hätte sie einem Fremden berichtet, was hier alles passiert war, man hätte sie ausgelacht. Denn das Blut auf dem Boden und der umgekippte Stuhl waren kein Beweis.
Glenda schüttelte den Kopf. Sie lachte. Es klang wenig fröhlich. Dafür eher bitter. Nichts, gar nichts hatte sie vergessen. Das Monstrum mit dem doppelten Gesicht hatte schrecklich genug ausgesehen, und es musste einen Grund gehabt haben, Nagato zu sich und damit in seine Welt zu holen.
Für Glenda gab es keine andere Lösung. Sie allerdings war nicht in der Lage, das herauszufinden. Durch Zufall war sie in ein Geschehen hineingeraten, für das sich andere interessieren mussten. Es gab wieder Arbeit für John und Suko.
Auf leisen Sohlen verließ sie das Büro. Hinter sich schloss sie die Tür.
In ihren Knien spürte sie noch das Zittern. So ganz fit war sie auch nicht mehr.
Glenda überlegte, ob sie noch in den Waschraum gehen sollte, um kaltes Wasser auf ihr Gesicht laufen zu lassen. Nein, sie verzichtete darauf, das war unwichtig geworden.
Durch den Toilettengang lief sie wieder zurück in das Restaurant, in dem sich nichts verändert hatte. Es war noch ebenso voll. Die gleichen Gerüche, die Stimmen der Gäste. Hin und wieder das Klappern von Geschirr. Eine sehr bekannte Atmosphäre. Hier wies nichts darauf hin, was sich nicht weit entfernt im Büro des Besitzers abgespielt hatte. Es war Einbildung, doch Glenda kam sich wie ein Fremdkörper vor, als sie das Restaurant betrat. Sie hatte den Eindruck, von allen Gästen angeschaut zu werden, was natürlich Einbildung war. Niemand blickte ihr ins Gesicht, und so ging sie wieder auf ihren Platz zu.
Shao hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Sie saß da, und ihre Augen waren groß, als sie Glenda anschaute. »Da bist du ja endlich«, flüsterte sie.
»Ja, da bin ich.«
Shao wunderte sich zwar über die Antwort, ging aber nicht näher darauf ein. »Ich habe mir wirklich Sorgen um dich gemacht, Glenda. Warum bist du so lange weg gewesen?«
Glenda setzte sich wieder hin. Sie gab noch keine Antwort und schaute Shao auch nicht an.
Die freundliche Stimme der Kellnerin war nicht zu überhören. »Kann ich jetzt weiter servieren?«
»Warten Sie noch einen Moment«, erklärte Shao. »Meiner Freundin ist es nicht gut, denke ich.«
»Natürlich.«
Glenda hatte die Handflächen gegen ihre Wangen gelegt und ließ die Hände nun sinken. Sie prustete ihren Atem über die Theke hinweg und flüsterte: »Bestell mir einen Schnaps, Shao.«
»Ja, gern, welchen?«
»Egal.« Shao holte sich bei der freundlichen Japanerin Rat. Glenda wurde ein Glas mit einer dunklen Flüssigkeit serviert, das sie mit einem Schluck leer trank. Danach schüttelte sie sich. Sie merkte, wie Hitze in ihr hochstieg und sich ihr Gesicht rötete.
Shao rückte eng an sie heran. »Nun sag mir doch endlich, was dir passiert ist.«
»Sofort, Shao, sofort. Aber zunächst einmal muss ich telefonieren. Bitte. Hast du dein Handy dabei?«
»Ja, habe ich. Darf ich fragen, wen du anrufen willst?«
»Klar, John Sinclair und deinen Suko. Hier gibt es Arbeit, Shao, ob du es glaubst oder nicht.«
Die Chinesin wurde blass…
***
Glendas Anruf hatte uns alarmiert, und wir waren so schnell wie möglich losgefahren. Um diese Zeit kam der Autofahrer in London besser durch den Verkehr. Besonders dann, wenn man sich auskannte, wie es bei uns der Fall war.
Viel hatten wir nicht erfahren. Glenda hatte nur etwas von einem Spiegel berichtet, aus dem ein Monstrum gestiegen war. Sie hatte auch von einem doppelten Gesicht gesprochen, von Fingern wie Messern und davon, dass es einen Toten gegeben hatte.
Es gibt Zeugen, bei denen man von Grund auf skeptisch ist. Nicht bei Glenda Perkins. Sie war keine Phantastin, sie hatte sich so etwas nicht ausgedacht. Warum auch? Mit gewissen Dingen und Vorgängen scherzt man eben nicht.
»Ein Spiegel also«, sagte Suko und wiederholte die Worte mehrmals.
»Was sagt dir das, John?«
»Dass Glenda ein Tor zu einer anderen Welt entdeckt hat und dass aus dieser Welt ein Monstrum gestiegen ist.«
»Ganz einfach.«
»Ja, ganz einfach.«
»Und wo beginnt das Problem?«
Ich tippte kurz gegen meine Stirn. Eine derartige Rhetorik war ich von Suko nicht gewöhnt. Die Worte allerdings hatten mir bewiesen, dass auch er unter Druck stand und es ihm schwer fiel, die Dinge in die Reihe zu bringen.
Dabei hatten wir uns auf einen ruhigen Abend eingestellt. Das war vorbei. Glenda hatte uns auch gebeten, die Kollegen nicht
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