Das Janus-Monster
einer Ziege. Das Haar hatte er zurückgekämmt, und es war zu einem dunkelgrauen Zopf geflochten. Sein dunkelgrünes Gewand trug er wie der Mönch seine Kutte, nur reichte es ihm bis zu den Oberschenkeln. Unter dem Saum sahen wir die Beine einer schwarzen Hose, deren Stoff nicht changierte, im Gegenteil zu dem des Oberteils.
Kein Barthaar bedeckte das Gesicht, in dem sich nur die Augen bewegten. Kleine, flinke Augen, im Tränenwasser eingebettet wirkten, weil sie so schimmerten.
Der Mandarin hatte die Situation mit einem Blick erfasst. Er hob seine rechte Hand. Das Zeichen galt seinen Leibwächtern, die sich merklich entspannten. Danach kümmerte er sich um uns. Nur Suko und ich waren für ihn interessant. Akina gönnte er keinen Blick. »Ich habe gehört, dass Polizei im Haus ist.«
»Stimmt«, sagte Suko. »Scotland Yard.«
»Darf ich die Legitimationen sehen?«
Wenn man uns schon darauf ansprach, mussten wir die Ausweise zeigen. Er schaute sie sich genau an und gab sie uns mit einem Lächeln zurück. »Danke.«
»Haben Sie uns nicht geglaubt?« fragte Suko.
»So ist das nicht. Ich bin nur verwundert, aber ich biete Ihnen gern meine Hilfe an.«
»Es geht ja nicht um Sie, sondern um Hono Nagato.«
»Ja, ich kenne ihn. Wenn Sie ihn suchen, dann werden Sie Pech haben. Er befindet sich nicht hier im Haus. Tut mir leid.«
»Wo könnte er dann sein?«
»In seinem Lokal, das er leitet.«
»Da ist er auch nicht mehr.«
Der Mandarin lächelte verkniffen. »Es tut mir leid. Wenn das so ist, kann ich Ihnen nicht helfen.«
»Nagato ist tot«, sagte ich. »Zumindest gehen wir davon aus. Deshalb sind wir hier!«
Der Mandarin hatte sich gut in der Gewalt. Nichts bewegte sich in seinem Gesicht, als er die Nachricht verstanden hatte. Er fragte nur:
»Wie starb er?«
»Er verschwand und wurde geholt.«
Mit dieser Antwort kam er nicht zurecht und schüttelte den Kopf.
»Was soll das bedeuten?«
»Man holte ihn«, sagte Suko.
»Wer?«
»Kennen Sie seinen Spiegel?«
Der Mandarin erstarrte für einen Moment. Kaum hatte er sich wieder gefangen, als er seinen Leibwächtern etwas zuflüsterte, das wir nicht verstanden. Die vier tuschelten miteinander und schauten sich um, als würde irgendwo in der Nähe eine Gefahr lauern.
»Sie kennen den Spiegel?« fragte Suko.
»Ja, ich kenne ihn.«
»Haben Sie ihn gesehen oder hat ihn Nagato nur beschrieben?« fragte Suko weiter.
»Beides. Ich war bei ihm, nachdem er ihn mir beschrieben hat. Da konnte ich ihn mir anschauen.«
»Wir haben ihn auch gesehen.«
Der Mandarin erwiderte nichts. Er wartete darauf, bis Suko fortfuhr.
»Wahrscheinlich erzähle ich Ihnen nichts Neues, wenn ich sage, was er wirklich bedeutet. Er ist der Einstieg in die andere Welt. In die Welt, die wir nicht sehen. In das Reich der Teufel und Dämonen. Der bösen Geister, die alles unter Kontrolle haben. Ein Tor in die Jigoku, in der Emma-Hoo herrscht und in dem ihm alle gehorchen. Auch Monstren wie Kato es eines ist. Kennen Sie Kato?«
»Nein, aber ich weiß von ihm. Nagato hat mir von ihm berichtet. Er war ein besonderer Mann. Ich habe oft mit ihm gesprochen. Unsere Unterhaltungen sind immer sehr fruchtbar verlaufen. Nagato war stolz darauf, einen Zugang zu ihm zu besitzen.«
»Nun nicht mehr«, sagte ich. »Kato hat Nagato geholt. Er ist bei Emma-Hoo. Er hat alle Voraussetzungen erfüllt, um in die Hölle geholt zu werden. Er war reif genug. Seine zahlreichen Untaten haben sich addiert -«, ich sprach jetzt lauter, »- denn Nagato ist ein verdammter Killer gewesen. Er hat Menschen für Geld getötet. Emma-Hoo hat einen bestimmten Zeitpunkt abgewartet, um ihn zu holen. Wahrscheinlich muss man eine bestimmte Todesliste vorweisen können, um reif für Emma-Hoo und sein Reich zu sein. Das hat Nagato geschafft.«
Der Mandarin schwieg. Dann griff er in die rechte Seitentasche und holte ein flaches Etui hervor. Er klappte es auf und entnahm ihm eine dünne Zigarette. Einer seiner Leibwächter gab ihm Feuer. Der Mandarin paffte einige Wolken und schaute ihnen versonnen nach. »Ihr solltet gehen«, flüsterte er uns zu. »Ihr solltet hier so schnell wie möglich weggehen. Diesen Rat gebe ich euch als Mandarin. Das hier ist eine fremde Welt, die ihr anderen Kräften überlassen solltet.«
»Sie wissen mehr«, sagte Suko. »Ihr Kontakt zu Nagato war sehr gut. Er hat Sie eingeweiht. Wir möchten wissen, was er Ihnen alles gesagt hat.«
»Nichts wird meinen Mund verlassen. Wer immer die alten Legenden
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