Das Janus-Monster
vergessen hat, er hat einen Fehler begangen. Sie leben noch. Sie sind hier. Man sieht sie nicht, man spürt ihre Kräfte. Und ich spüre sie heute stärker denn je.«
»Warum?«
»Die Zeit ist gekommen.«
»Welche?«
»Katos Zeit. Mehr kann ich euch nicht sagen. Hier im Haus herrsche ich. Für euch ist es Feindesland. Nagato gibt es nicht mehr. Aber es gibt andere. Lasst die fremde Welt ruhen. Die Hölle holt sich ihre Besucher schon. Wir Menschen können nichts dagegen tun.«
»Tatsächlich?« fragte Suko. »Wenn ich über Ihre Worte nachdenke, kommt es mir vor, als wäre Nagato nicht die erste Person, die Kato sich geholt hat.«
»Das weiß ich nicht.«
Suko lachte. »Sie glauben doch nicht, dass wir Ihnen Ihre Lügen abnehmen. Was wird noch geschehen? Wen wird sich Kato holen? Einmal ist er erschienen. Der Spiegel war das Tor. Jetzt frage ich mich, ob es der einzige Zugang zwischen den beiden Welten gewesen ist. Kann es nicht sein, dass es noch einen gibt? Oder sogar mehrere, die Sie kennen? Darauf haben Ihre Worte hingedeutet.«
»Geht jetzt!«
»Wir bleiben, und wir bleiben bei Ihnen!«
Suko hatte in meinem Namen mitgesprochen. Nach seiner Antwort herrschte eine bedrückende Stille. Die Lage schien zu kippen. Noch stand sie auf des Messers Schneide, und noch hatten die vier Aufpasser nicht eingegriffen. Ich dachte darüber nach, wie lange der Mandarin noch zögern würde, bis er sich entschieden hatte. Aber er schien zu sehen, dass wir nicht gewillt waren, ihm Folge zu leisten.
»Es ist nicht gut, wenn ich den Befehl gebe, euch für immer verschwinden zu lassen. Ich könnte euch in den Ofen der Heizung unten im Keller werfen und hätte keine großen Probleme mehr mit euch. Aber ich weiß auch, dass ich Probleme bekommen könnte. Denn ich lebe lange genug in diesem Land. Eure Kollegen würden tatsächlich hier den Frieden des Hauses stören. So habe ich mich entschlossen, euch nicht töten zu lassen. Ich übergebe euch eurem Schicksal.«
»Wie gütig«, erwiderte ich leicht spöttisch. »Darf ich dann fragen, wie das Schicksal aussieht?«
»Niemand kennt es genau.«
»Aber Sie wissen, dass es für uns tödlich enden kann?«
»Es wird tödlich enden.«
Ich schaute Suko mit einem Was-sollen-wir-tun?-Blick an. Mein Freund stand bereit wie auf dem Sprung. Er wollte nicht mehr reden, sondern endlich handeln. Deshalb fragte er den Mandarin auch direkt.
»Dann kennen Sie noch einen anderen Weg, der uns zu Kato hinführt?«
»Es gibt ihn.«
»Hier?«
»Ich habe lange mit Nagato gesprochen, und wir haben uns dazu entschlossen, einen Weg vorzubereiten. Deshalb haben wir für ihn etwas vorbereitet.«
»Hier im Haus?«
»In meinem Reich.«
Himmel, der Knabe redete immer um den heißen Brei herum. Wir wollten endlich weiterkommen. »Wo genau?« herrschte ich ihn an.
Diese Tonart war er nicht gewohnt. Für einen kurzen Augenblick blitzte Hass in seinen Augen. Danach entspannte er sich wieder. »Meine Freunde und ich werden euch hinbringen. Gewarnt seid ihr, das steht fest. Wenn ihr nicht überlebt und wenn eure Freunde und Kollegen nach euch forschen, werden sie nichts mehr finden. Ich weiß, dass ihr mit einem Auto gekommen seid. Wir können es verbrennen, so dass es nie mehr gefunden werden kann, doch darauf werde ich verzichten. Niemand aus diesem Haus wird einem Polizisten sagen können, wo ihr geblieben seid, abgesehen von meinen treuen Begleitern hier. Sie aber werden schweigen. Ebenso wie die Frau an eurer Seite schweigen wird.«
Der letzte Satz hatte mir überhaupt nicht gepasst. »Bist du wirklich davon überzeugt?«
»Es wird ihr nicht gelingen, etwas zu sagen.«
»Du willst sie töten lassen?«
»Nein, bin ich dumm? Es gibt andere Wege. Sie müsst ihr schon vergessen, wenn ihr weiterkommen wollt. Es ist eine Frau, die nicht zu uns gehört. Sie lebt nicht hier.«
»Und wir werden sie auf keinen Fall vergessen!« erklärte ich. »Sollte Akina etwas geschehen, drehe ich dir deinen Hals zum Zopf!« Es rutschte mir so hervor, und der Mandarin sah plötzlich versteinert aus.
An dieser Beleidigung hatte er schwer zu schlucken. Ebenso wie seine vier Aufpasser, die uns am liebsten an die Gurgeln gefahren wären, aber durch ihren Chef zurückgehalten worden.
Der Mandarin blieb hart. »Ich kann sie nicht gehen lassen«, erklärte er mit fester Stimme. Wieder einmal wunderte ich mich darüber, welche Energie in dieser Gestalt steckte. »Sie wird mir alles versprechen und nichts halten.«
Akina
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