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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Whisky.»
    «Schnaps», sagte ich. «Danke.»
    «Bitte rauchen Sie ruhig, wenn Sie möchten. Ich rauche zwar selbst nicht, aber ich rieche es gern.» Sie reichte mir meinen Schnaps und lotste mich zu den blauen Stühlen.
    Ich setzte mich, nahm meine Pfeife heraus, sah sie kurz an und steckte sie dann wieder ein. Ich war jetzt Bernie Gunther, nicht Erich Grün, und Bernie Gunther rauchte Zigaretten. Ich fand ein paar Reemtsma-Papierchen und begann, mir aus dem Pfeifentabak eine zu drehen.
    «Ich liebe es, Männern zuzuschauen, wenn sie das machen», sagte sie und beugte sich zu mir.
    «Wenn ich nicht so kalte Finger hätte», sagte ich, «würde ich es besser hinkriegen.»
    «Sie machen das prima», sagte sie. «Vielleicht darf ich ja mal ziehen, wenn sie fertig ist.» Ich vollendete mein Werk, rauchte die Zigarette an und reichte sie ihr. Sie rauchte mit echtem Vergnügen, als ob es die feinste Luxuszigarette wäre. Dann gab sie sie mir wieder. Ohne das kleinste Husten.
    «Natürlich weiß ich, wer es ist», sagte sie. «Mein anonymer Wohltäter. Erich, stimmt’s?» Sie schüttelte den Kopf. «Ist schon gut. Sie brauchen nichts zu sagen. Ich weiß es auch so. Ich habe zufällig vor ein paar Tagen in die Zeitung geschaut. Da stand etwas über den Tod seiner Mutter. Man muss nicht Hercule Poirot sein, um diese Kausalkette zu enträtseln. Er ist an ihr Geld gekommen, und jetzt will er etwas gutmachen. So weit das überhaupt möglich ist, nach dem, was er mir angetan hat. Es überrascht mich nicht im Geringsten, dass er Sie schickt, statt selbst herzukommen. Ich nehme an, er traut sich nicht, aus Angst – wovor auch immer jemand wie er Angst haben kann.» Sie zuckte die Achseln und trank aus ihrem Glas. «Nur zu Ihrer Information. Als er mich damals sitzenließ, 1928, war ich gerade achtzehn. Er war wohl auch nicht viel älter. Ich bekam eine Tochter. Magda.»
    «Ja, nach Ihrem Kind wollte ich auch noch fragen», sagte ich. «Es soll die gleiche Summe erhalten wie Sie.»
    «Tja, das geht leider nicht», sagte sie. «Magda ist tot. Sie kam ’44 bei einem Fliegerangriff ums Leben. Eine Bombe traf ihre Schule.»
    «Das tut mir leid», sagte ich.
    Vera Messmann streifte die Schuhe ab und zog die bestrumpften Füße unter ihren wohlgeformten Po. «Falls es Sie interessiert, ich trage ihm das alles nicht mehr nach. Verglichen mit dem, was im Krieg passiert ist, ist es ja wohl nicht so ein großes Verbrechen, oder? Ein Mädchen mit einem Kind sitzenzulassen?»
    «Nein, wohl nicht.»
    «Aber ich bin froh, dass er Sie geschickt hat», sagte sie. «Ich würde ihn nicht wiedersehen wollen. Schon gar nicht jetzt, wo Magda nicht mehr lebt. Das wäre zu unerfreulich. Außerdem würde es mir viel mehr widerstreben, sein Geld anzunehmen, wenn er persönlich hier wäre. Aber fünfundzwanzigtausend Schilling … ich kann nicht behaupten, dass mir die ungelegen kämen. Auch wenn es hier nicht so aussieht, ich habe nicht viel Geld. Diese Möbel sind zwar ziemlich wertvoll, aber sie sind von meiner Mutter, und diese Wohnung ist alles, was mir als Erinnerung an sie geblieben ist. Sie hat ihr gehört. Meine Mutter hatte einen hervorragenden Geschmack.»
    «Ja», sagte ich und sah mich höflich um. «Allerdings.»
    «Aber es hat keinen Sinn, irgendetwas davon zu verkaufen», sagte sie. «Nicht jetzt. Für diese Dinge ist zurzeit kein Geld da. Nicht mal die Amis wollen solche Möbel. Noch nicht. Ich warte darauf, dass die Nachfrage wieder steigt. Aber jetzt», sie prostete mir stumm zu, «jetzt brauche ich darauf ja vielleicht gar nicht mehr zu warten.» Sie nahm noch einen Schluck. «Und ich muss nichts weiter tun, als in dieser Bank aufzukreuzen und eine Quittung zu unterschreiben?»
    «Nichts weiter. Sie brauchen nicht mal seinen Namen zu nennen.»
    «Das ist gut», sagte sie.
    «Sie gehen einfach rein, ich werde Sie erwarten. Wir gehen in einen Raum, wo wir allein sind, und ich gebe Ihnen das Geld. Oder einen Bankscheck, wie Sie wollen. Ganz einfach.»
    «Eine schöne Vorstellung», sagte sie. «Aber nichts, was mit Geld zu tun hat, ist jemals einfach.»
    «Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul», sagte ich. «Das wäre mein Rat.»
    «Das ist kein guter Rat, Herr Gunther», sagte sie. «Bedenken Sie doch mal, die ganzen Tierarztrechnungen, wenn der Klepper nichts taugt. Und vergessen Sie doch nicht, wie es diesen armen Trojanern ergangen ist. Wenn sie auf Kassandra gehört hätten statt auf Sinon, hätten sie dem Gaul ja

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