Das Jesus Sakrileg 2
antwortete oder wagte mich anzuschauen.
„Er liebt euch. Für euch will er sterben. Und wie dankt ihr es ihm? Mit Verrat! Wie viele Goldmünzen hat euch Pilatus dafür gegeben? 50? 100?“
„Wir haben ihn nicht verraten. Du verlierst die Nerven, Weib“, sagte Matthäus. Er stand auf und verließ die kleine Runde. Die anderen folgten. Thomas ging als letzter. Er drehte sich kurz um und fragte mich: „Ist er Gottes Sohn?“
„Wie kannst du daran zweifeln?“
„Wenn, dann wird er die Römer vertreiben. Kein Vater würde seinen Sohn sterben lassen. Gott hatte Erbarmen mit Abraham. Dann wird er auch Erbarmen mit Joshua haben. Denn er liebt doch seinen Sohn, oder?“, sagte er und ich sah, dass er Tränen in den Augen hatte. Bevor ich ihm antworten konnte, ging er. Ich muss dir allerdings gestehen, liebes Tagebuch, dass ich kein Mitleid mit ihm habe. Ich bin mir nicht sicher, ob und wie sie ihn verraten haben. Aber meine Befürchtung ist, dass sie gemeinsame Sache mit diesen Söldnern von Barabbas Truppe machen. Josef von Arimathäa ist unterwegs bei allen möglichen einflussreichen Personen, um für Joshua ein gutes Wort einzulegen. Doch habe ich das Gefühl, dass, je länger Joshua im Kerker ist, desto geringer der Zuspruch der Menschen sein wird.
Immer öfter höre ich, dass Menschen in kleinen Gruppen über Joshua reden. Es fallen schreckliche Worte wie: „Wie kann er sich Gottes Sohn nennen, das ist Gotteslästerung.“ „Wenn er denn Gottes Sohn ist, warum befreit er sich nicht aus dem Gefängnis?“
Erkennen sie denn nicht, welch wunderbarer Mann Joshua ist? Ach, liebes Tagebuch, so viele Sorgen belasten mein Herz, dass ich dabei vergesse, dass die Person mit dem größten Kummer seine Mutter ist. Seit Tagen kommt sie nicht mehr aus ihrem Zimmer. Nur ihre Kinder haben Zutritt zu diesem. Ich habe große Angst um sie.
Mit Sorgen und Hoffnung sehe ich der öffentlichen Verhandlung entgegen. Claudia und Josef haben den besten aller Verteidiger für Joshua verpflichtet. Einen wohl sehr einflussreichen römischen Advokaten und Philosophen. Außerdem konnte Josef seinen Einfluss geltend machen, einige sehr bedeutende Familien Israels und einige Priester dazu zu überreden, dass sie für Joshua sprachen. Dies, so meint Josef jedenfalls, würde einen großen Vorteil bedeuten. Denn Pilatus konnte nicht umher, diese Meinungen ernsthaft bei der Urteilsverkündigung in Erwägung zu ziehen.
Ich hoffe, der Verteidiger ist wirklich so gut, wie Claudia behauptet. Wie jeder weiß, ist Pilatus für seine Erbarmungslosigkeit bekannt, gefürchtet und gehasst. Und es bereitet mir Sorgen, dass neben Rom auch noch der Sanhedrin als Nebenkläger auftritt. Sie bezichtigen Joshua der Gotteslästerung, auch darauf steht der Tod. Wenn Pilatus ihn freisprechen sollte, besteht immer noch die Gefahr, dass er an Herodes übergeben wird. Und jeder weiß, dass Herodes nur eine Marionette des Sanhedrins ist. In diesem Falle, liebes Tagebuch, bin ich mir sicher, dass Joshua sterben wird. Kaiphas wird sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
Ach, wie sehr wünsche ich mir, ihn jetzt zu sehen, auch wenn es nur für den Wimpernschlag eines Schmetterlings wäre.
So langsam fallen mir die Augen zu, liebes Tagebuch, dabei gibt es noch so viel zu erzählen. Aber vor lauter Liebeskummer finde ich kaum Luft, dir all die anderen Dinge zu berichten. Vielleicht schaffe ich es morgen Abend, von diesen Dingen zu schreiben. Ach ja, morgen kommt der Verteidiger, um mit uns seine Taktik abzustimmen und uns als Zeugen vorzuschlagen.
Welch glücklicher Zufall, dass er in Jerusalem weilt und wir Claudia haben. Sicherlich hätte er sich sonst nicht des Falles angenommen, magst du denken. Ich hätte das Gleiche auch gedacht, bevor ich ihn traf. Denn Joshua ist nur ein Wanderprediger und er, er ist eine Berühmtheit mit ausgezeichnetem Ruf. Doch er sprach, dass er eine Rede Joshuas am See Genezareth gehört hätte und tief beeindruckt von seinen Worten war. Als wir ihn fragten, ob er glaube, dass er Gottes Sohn sei, da lächelte er und antwortete: „Ich bin ein Mann, der nach dem Sinn der Vernunft handelt. Was wir uns nicht erklären können, macht uns Angst. Und da wir die Angst fürchten, beschäftigen wir uns nicht mit diesen Dingen und überlassen sie den Philosophen. Der Philosoph in mir sagt, nichts erklärt sich ohne Gott.“
Ich glaube, er kann Pilatus davon überzeugen, Joshua freizulassen. Vielleicht mag auch die Tatsache helfen, dass
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