Das Jesus Video
von ihnen sah mehr auf die Uhr. Die Zeit schien irgendwann stehengeblieben zu sein.
»Es ist also alles wahr«, sagte Judith leise.»Es war ein Zeitreisender. Und er hat Jesus gefilmt.«
»Ja«, nickte Stephen.»Aber die grundlegende Theorie stimmt nicht. Es war kein geplantes Unternehmen, sondern Zufall.«Er stellte das Fotostativ zur Seite. Sie durften nicht vergessen, den Film aus der Kamera zu nehmen.»Hoffentlich verrät er uns auf dem zweiten Blatt, wo er die Cassetten versteckt hat.«
»Aber heute nicht mehr, oder?«
Stephen sah sie an. In den seltsamen Lichtverhältnissen des Labors war sie weiß wie eine Wand.»Hey — wir sind doch nur noch eine Handbreit davon entfernt! Noch zehn Minuten, und wir wissen es!«
Sie verdrehte seufzend die Augen.»Wie oft habe ich das heute nacht schon gehört?«
Yehoshuah räusperte sich vernehmlich.»Ich fürchte, Judith hat recht.«Er knipste die uvLampe aus und begann, die Schalen und Flaschen wegzuräumen, die gebrauchten Wattebäusche in den Abfall zu werfen, Stühle zurechtzurücken.
»Hey«, machte Stephen und ging ihm nach.»Yehoshuah! Professor Yehoshuah! Du wirst doch jetzt nicht schlappmachen, so kurz vor dem Ziel?«
»Das hat nichts mit Schlappmachen zu tun.«
»Soll ich irgendwas zu essen besorgen? Kaffee kochen? Wir könnten einen Spaziergang an der frischen Luft machen und solange die Tür offen lassen, und dann mit neuen Kräften an die Arbeit gehen…«
»Nein, Stephen, das ist es nicht.«Yehoshuah ließ den Dekkel des Abfalleimers zuknallen und lehnte sich dann mit verzagter Miene gegen den Spültisch.»Ich hatte so gehofft, er würde es uns auf dem ersten Blatt verraten. Wirklich. Es ist nicht, daß ich nicht weitermachen könnte — es geht nur nicht.«
Peter Eisenhardt fuhr aus dem Schlaf hoch. Da! Da war er wieder, der Gedanke, der ihn seit vielen Tagen wie eine diffuse Ahnung verfolgte, ohne konkret zu werden. Der wichtige Gedanke. Der beunruhigende Gedanke. Er hatte ihn endlich.
Hastig machte er Licht, schlüpfte in Pantoffeln und Morgenmantel und eilte hinüber in das Besprechungszimmer, in dem es immer noch nach Schweiß und Streit roch. Zog die großen Flipchartblätter hervor, die Stifte, breitete alles auf dem Tisch aus und starrte darauf. Ja. Wieso kam er erst jetzt darauf? Der Zusammenhang lag doch auf der Hand, war von geradezu bestürzender Logik.
Und er würde Kaun nicht gefallen.
Seine Blicke folgten den Stichworten, Pfeilen und Symbolen, mit denen er seine bisherigen Überlegungen aufgezeichnet hatte, und fanden keinen Widerspruch, kein Entkommen, keine Hintertür.
Kaun würde dieses Video nicht ausstrahlen.
Egal, was geschah.
Der Schriftsteller spürte sein Herz mächtig schlagen. Weil jemand in die Vergangenheit gereist war, konnte man die Zukunft vorhersagen. War unausweichlich geworden, was geschehen würde.
Grauenhaft.
Ein Geräusch von draußen erregte seine Aufmerksamkeit. Ein Geräusch, als habe jemand auf dem Parkplatz eine Autotür zugeschlagen. Eisenhardt ging ans Fenster und schob die Verdunkelung ein Stück beiseite.
Es war Ryan, der, die Hände tief in den Taschen vergraben, vom Parkplatz herübermarschiert kam und alle paar Schritte einem Stein einen wütenden Tritt gab. Er entdeckte den hellen Spalt und warf einen mörderischen Blick herüber. Eisenhardt schob die Verdunkelung hastig wieder zu, räumte die Unterlagen fort, löschte alle Lichter und machte, daß er zurück ins Bett kam.
Stephen blinzelte und sah Yehoshuah verständnislos an.»Was heißt das, es geht nicht?«
»Ich wollte es euch eigentlich schon die ganze Zeit sagen. Ich habe mit dem anderen Blatt experimentiert, ehe ihr kamt, aber die Schrift dort nimmt die Lösung nicht an. Keine Ahnung, warum.«
»Die Schrift dort nimmt die Lösung nicht an?«echote Stephen blöde. Das Labor, die Tische und Regale und Leuchtstoffröhren ringsum schienen sich in einen dunklen Strudel zu verwandeln, der sich langsam um sie beide zu drehen begann.»Heißt das…?«»Ja.«
»Bist du sicher?«
Yehoshuah stieß sich ab und ging mit ausgreifenden Schritten zurück an seinen Arbeitstisch.»Natürlich bin ich mir sicher. Was denkst du denn?«»Aber wie kann das sein? Ich meine, bei dem Blatt hat es doch phantastisch funktioniert. Wie kann es bei dem anderen überhaupt nicht funktionieren?«
»Keine Ahnung«, knurrte Yehoshuah und zog die Folie über die Schale, die verhindern sollte, daß der Inhalt austrocknete.»Vielleicht ist es anderes Papier.
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