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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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gelobt und dann nach Hause fahren lassen, damit er sich ausschlafen konnte. Jetzt stand er auf dem Balkon seiner Hotelsuite, einen großen Whisky in der Hand, schaute über das nächtliche Rom und versuchte sich darüber klarzuwerden, wie er es versiebt hatte.
    Denn versiebt hatte er es. Er war wie ein blutiger Anfänger in den Vatikan marschiert und hatte erwartet, die größte Festung der Welt im Handstreich zu nehmen — er, John Kaun, der Manager des nächsten Jahrtausends. Der Meister der kinetischen Energie. Und vor lauter kinetischer Energie hatte er nicht einmal seine Hausaufgaben gemacht. Nur mühsam konnte er sich beherrschen, vor lauter Wut nicht das unschuldige Whiskyglas auf dem Boden zu zertrümmern.
    Als ob er sich jemals vor irgendeiner anderen wichtigen Besprechung damit begnügt hätte, die Wirtschaftsdaten der anderen Seite zu studieren. Wirtschaftsdaten, das waren tote, belanglose Zahlen. Menschen — das war es, worauf es ankam! War es nicht eine seiner ehernen Regeln, niemals einen neuen Geschäftspartner zu treffen, ohne genau zu wissen, mit wem er es zu tun hatte, ohne seine Stärken und Schwächen, seine Träume und Ängste zu kennen?
    So hatte er zum Beispiel die»South African Times«ergattert. Er hatte gewußt, daß Lawrence Trumbull, der greise Eigentümer, seinem Sohn die Führung der Zeitung nicht zutraute — so hatte er ihn zum Verkauf überreden können. Dann hatte er den Preis, den Trumbull gefordert hatte, noch einmal drücken können, weil er gewußt hatte, daß Trumbull Ferrari-Fan war. Dafür, daß er ihm Ferrari-Anteile überschrieb, die er einmal günstig bekommen hatte, ohne im Grunde damit etwas anfangen zu können, und ihm außerdem einen Sitz im Aufsichtsrat verschaffte, wäre der südafrikanische Zeitungskönig buchstäblich bereit gewesen, ihm sein Unternehmen zu schenken.
    Das war ein Erfolg gewesen. Und hier, bei dem vielleicht größten und wichtigsten Geschäft seines Lebens, rannte er einfach drauflos, ohne zu wissen, wer in der Hierarchie des Unternehmens wieviel zu sagen hatte, wer an welchen Fäden zog und wer welche dunklen Flecken auf der Weste hatte.
    Kinetische Energie? Er war zu gierig gewesen. Wieder einmal. Hatte alles auf einmal gewollt. Eine Menge Leute hatten es schon fertiggebracht, ihm Verluste beizubringen, aber noch niemand hatte ihm so viel geschadet wie er sich selbst mit dieser fieberhaften, größenwahnsinnigen Ungeduld.
    Na gut. Er kippte den Whisky hinunter und spürte ihn angenehm in der Kehle brennen. Er würde Basso weiter auf den Fall ansetzen, und im richtigen Moment würde er zurückkommen und gewinnen, wie er letztlich immer gewann. Und jetzt war es Zeit, ins Bett zu gehen, auch wenn das hieß, daß wieder ein Morgen kommen würde, ein zäher, qualvoller Morgen.
    Stephen hatte das Lahor des Rockefeller-Instituts als düsteren, ungemütlichen Keller in Erinnerung und war überrascht, wie hell und angenehm der kühle Raum in Wirklichkeit war. Einen Augenblick überlegte er, ob etwas an der Einrichtung verändert worden war, bis ihm klar wurde, daß er selber heute abend wesentlich ausgeruhter war als gestern. Gestern waren sie nach einem anstrengenden Arbeitstag unter sengender Sonne abends erschöpft angekommen, um dann bis um halb fünf Uhr in der Frühe durchzuhalten — kein Wunder, daß die Erinnerung heute alles andere als angenehm war.
    »Wir waren gestern ein bißchen voreilig«, meinte Yehoshuah, während er die Schale mit dem ersten Blatt wieder aus der Schublade holte, in der er sie wohl eingesperrt hatte, als sie ihn angerufen hatten, um sich mit ihm an einem Parkplatz in einem anderen Teil der Stadt zu verabreden. Seinen Ärger über die Unterbrechung schien er vergessen zu haben.»Von wegen Jesus hat nie gelebt. Der Satz war aus dem Zusammenhang gerissen.«
    »Ah«, machte Stephen.
    Yehoshuah rückte die flache Plastikwanne unter die uvLampe und schaltete sie ein. Die neue Röhre sprang ohne Verzögerung an, und das ultraviolette Licht ließ einen Satz aufleuchten, der wesentlich länger war: Ich befürchtete, der Sinn von allem könnte sein, daß Jesus nie gelebt hat und ich dazu ausersehen war, seine Rolle zu spielen.
    »Eigenartig«, meinte Judith, nach dem sie alle drei eine Weile schweigend auf die goldfarben schimmernde Handschrift gestarrt hatten.»Was das wohl zu bedeuten hat?«
    »Keine Ahnung«, gab Yehoshuah zu.»Jedenfalls heißt es nicht, daß Jesus nicht gelebt hat. Eher das Gegenteil.«
    »Ich denke, wir

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