Das Jesus Video
wollen Sie nicht hören. Vielleicht finden Sie es auch, halten es aber drei Jahre unter Verschluß. Oder länger. Jedenfalls, der Zeitreisende wird in einer Welt starten, die die Aufnahmen, die er machen wird — oder gemacht hat -, nicht kennt.«
Kaun sank brütend wieder in sich zusammen. Eisenhardt wartete geduldig. Immerhin schien der Medienmanager nicht zu explodieren, wie er es schon halb befürchtet hatte. Im Gegenteil, je länger er grübelte, desto mehr schien seine Laune zu steigen.
»Es könnte doch auch bedeuten«, vergewisserte er sich schließlich,»daß es mir gelingt, das Video zu finden und an die katholische Kirche zu verkaufen. Und daß die es unter Verschluß hält für alle Zeiten. Oder?«
Eisenhardt stutzte. Auf diese Variante war er nicht gekommen. Er durchdachte sie und nickte.»Ja. Auch das wäre eine Erklärung.«
Kaun grinste. Er schien beinahe anfangen wollen zu lachen.»Wissen Sie, was das heißt? Was Sie da gerade beweisen?«
»Was ich gerade beweise…?«wiederholte Eisenhardt unsicher. Kaun schien einen Aspekt an der Sache entdeckt zu haben, der ihm bisher entgangen war. Ärgerlich.
»Wenn die Kirche das Video erwirbt«, erklärte der Industrielle genüßlich,»und dann unter Verschluß hält, dann heißt das, daß sie es unter Verschluß halten muß. Zum Beispiel, weil auf den Aufnahmen etwas zu sehen ist, das die ganze Lehre der Kirche in Frage stellt — richtig?«
Eisenhardt nickte verblüfft. Gar nicht so dumm. Er merkte plötzlich, daß ein Teil von ihm immer bemüht gewesen war, Gründe zu finden, auf den amerikanischen Millionär hinabsehen zu können. Ungefähr nach dem Motto: Okay, er ist Multimillionär, aber das beweist nur, daß er ein stumpfhirniger, habgieriger Raffzahn ist, dessen Weltbild bei den vier Grundrechenarten und der Prozentrechnung aufhört. Ich dagegen bin ein Intellektueller, ein Mann des Geistes, und das ist es letztendlich, worauf es ankommt.
Entdecken zu müssen, daß John Kaun tatsächlich gottverdammt intelligent und einfallsreich war, wurmte ihn. Womöglich war er seine Millionen tatsächlich wert.
»Wenn aber«, führte der Amerikaner den Faden weiter,»das Video einen derart brisanten Inhalt hat, dann heißt das, daß ich nahezu jeden Preis dafür fordern kann. Alles oder nichts, Mister Eisenhardt. Können Sie das sehen? Ihre Argumentation beweist mit zwingender Logik, daß wir entweder völlig scheitern — weil wir das Video überhaupt nicht finden oder daß wir auf ganzer Linie siegen werden.«
Der Abtransport der Funde von Areal 14 verlief denkbar unspektakulär. Professor WilfordSmith und Shimon Bar-Lev begaben sich gemeinsam in die Grube hinab, wo sie rings um die Fundstelle einige Behälter aus grob poliertem Edelstahl aufstellten und jeweils fingerhoch mit gesiebtem Sand füllten. Dann zogen sie dünne Plastikhandschuhe über und beförderten die Knochen des Toten einen nach dem anderen in die Transportbehälter. Zum Schluß legten sie mit der gebotenen Behutsamkeit die Leinentasche, die das knistertrockene Anleitungsheft für die Videokamera enthielt, in einen eigenen Behälter. Dann wurden alle Stahlkästen mit kleinen Kügelchen aus einem chemisch neutralen Schaumstoff aufgefüllt und die Deckel verschlossen.
In ähnlicher Weise hatten sie schon oft besonders wertvolle Fundstücke ausgehoben. Der einzige Unterschied diesmal war, daß die ganze Aktion von mehreren Kameras gefilmt wurde. Und daß jeder einzelne Kasten ein massives Vorhängeschloß erhielt.
Die Stahlkästen wurden in Lastwagen verladen, und wenig später setzte sich ein Fahrzeugkonvoi Richtung Jerusalem in Bewegung. Noch ehe sich der davon aufgewirbelte Staub gelegt hatte, begann der Abbau des Zeltes, das eine Woche lang über der Fundstelle aufgestellt gewesen war. Abgesehen von diesen Arbeiten wirkte das einstmals geschäftige Lager so tot und verlassen, als habe die Pest gewütet.
Kaun hatte immer noch schlechte Laune, und die Umstände waren nicht dazu angetan, sie in absehbarer Zeit zu verbessern. Er musterte die wenig ansehnliche Rückseite des Gebäudes und warf einen besonders angewiderten Blick auf den großen Müllcontainer, der neben der Laderampe stand und einen unaussprechlichen Gestank über den Hof verströmte.
»Sie haben mir nicht gesagt, daß das Museum heute geöffnet ist«, knurrte er Professor WilfordSmith an.
»Das Rockefeller Museum ist jeden Tag geöffnet«, erklärte der Professor ruhig.»Jeden Tag von zehn Uhr vormittags bis fünf Uhr
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