Das Jesus Video
verständigen. Mittlerweile denke ich, daß das ein Fehler war.«Er nickte bedächtig.»Es war ein Fehler.«
Stephens Anwesenheit schien er vergessen zu haben. Er seufzte und widmete sich wieder seinen Papieren.
John Kaun kam gegen halb elf wieder im Lager Bet Hamesh an. Nach einer unruhigen Nacht voll gräßlicher Träume und einem elenden Morgen fühlte er sich häßlich und zerknittert, und er kam, nachdem er sich seit gestern abend beherrscht hatte, nicht länger gegen seine üble Laune an. Er haßte Mißerfolge, so war das nun mal. Nur zu sagen, daß er sie nicht leiden konnte, griff zu tief — er haßte sie inbrünstig, und wenn ihm etwas so schiefging wie diese Attacke auf die Vatikanfestung gestern, dann verdarb ihm das mehr als einen Tag.
Und hier hatte sich auch nichts Erfreuliches ereignet. Ryan hatte sich von dem Studenten und seiner Freundin abhängen lassen wie ein Anfänger. Da hatte er sich schon einmal etwas abreagieren können. Gut, daß die Wohnwagen über Schallisolation verfügten.
Von den Wissenschaftlern war nichts Neues gekommen. Immerhin, der deutsche Schriftsteller hatte sich endlich wieder gemeldet und darum gebeten, ihm einen neuen Gedanken vortragen zu dürfen. Einen Gedankengang von zwingender Logik, hatte er gesagt.
Sicher wieder so etwas Defätistisches. In der Hauptredaktion von N.E.W, hieß es, die Deutschen seien die Weltmeister im Erfinden von Bedenken aller Art. Mal sehen. John Kaun nickte dem Schriftsteller grimmig zu und lehnte sich zurück.
Eisenhardt merkte sofort, daß der Medienmagnat schlecht gelaunt war, und fragte sich, ob der Zeitpunkt so glücklich gewählt war für das, was er darzulegen gedachte. Aber nun war er schon einmal hier, und anderes hatte er nicht auf Vorrat. Er begann trotz der auf vollen Touren laufenden Klimaanlage zu schwitzen.
»Sie werden«, erklärte er so fest wie möglich,»mit absoluter Sicherheit dieses Video nicht senden — jedenfalls nicht in den nächsten drei Jahren.«
Kaun knurrte hinter seinem Schreibtisch wie ein Raubtier, die Hände wie Pranken vor dem Bauch ineinander verkrallt.»Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß ich derartige Überlegungen nicht hören will.«
»Es ist egal, ob es Ihnen gefällt oder nicht, Mister Kaun«, hörte sich Eisenhardt zu seiner eigenen Überraschung entschieden dagegenhalten.»Es ist ein zwingend logischer Gedankengang, und Sie sollten ihn sich einfach anhören, damit Sie ihn kennen. Schließlich bezahlen Sie dafür.«
Die Augen des Industriellen funkelten einen Augenblick wie Tigeraugen. Dann zuckte es um Kauns Mundwinkel.»In Ordnung«, meinte er.»Das ist ein Argument. Lassen Sie hören.«
»Angenommen, Sie finden das Video und die Kamera, und Sie senden es. Das würden Sie doch sicherlich im Rahmen einer weltweit zu empfangenden Sondersendung tun, oder?«
»Worauf Sie sich verlassen können!«
»Und sicher nicht nur einmal, sondern mehrfach.«
»Aber ganz bestimmt. So oft, wie es zur Maximierung der Einschaltquoten am besten ist.«
»Das heißt doch, nach drei Jahren wäre dieses Video sozusagen Allgemeingut. Jeder einigermaßen gebildete Mensch auf dieser Welt hätte zumindest davon gehört, es wahrscheinlich aber mindestens einmal gesehen.«
»Das ist das Ziel, ganz richtig.«
Eisenhardt machte eine Pause, um zu sehen, ob Kaun vielleicht von selbst darauf kam. Aber der Multimillionär sah ihn nur weiter fragend an, also brachte er die Sache zu Ende.»Welcher junge Mensch, glauben Sie«, fragte er eindringlich,»wird dann beschließen:» Ich reise in die Vergangenheit und opfere mein Leben, um die Videobilder zu drehen, die man seit drei Jahren ständig im Fernsehen sieht «?«
Es war eine eigenartige Befriedigung, zuzusehen, wie es in Kaun arbeitete und dachte, wie die Groschen fielen und sich der amerikanische Geschäftsmann schließlich kerzengerade in seinem Sessel aufrichtete.
»Damned!«rief er aus.»Sie haben recht. Wenn das Video gezeigt würde, ehe die Reise in die Vergangenheit stattfindet, dann entfiele die ganze Motivation dafür!«
»Exakt. Und dann fände keine Zeitreise statt. Doch dann gäbe es kein Video, das Sie senden könnten.«
»Hören Sie auf!«wehrte Kaun ab.»Mir platzt der Kopf! Was heißt das?«
»Das heißt, Sie werden es nicht senden, ehe die Zeitreise startet.«
»Aber wenn ich es finde und doch sende?«
»Sie werden es nicht senden, warum auch immer. Es wird nicht passieren. Vielleicht, weil Sie das Video eben doch nicht finden. Ich weiß, das
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