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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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sein? Genau diese Situation haben wir hier. Die Kirche muß erstens befürchten, daß das Video etwas enthüllen könnte, was die bisher gelehrte Glaubensdoktrin in Frage stellt und damit die Unfehlbarkeit des Papstes. Zweitens, und das ist womöglich noch wichtiger: Das Video wird niemals mithalten können mit den Bildern, die sich die Gläubigen in ihrer Phantasie gemacht haben, mit all den Heiligengemälden über den Ehebetten und den kitschigen Bildern in den Kinderbibeln. Auf dem Video wird alles ziemlich erbärmlich, primitiv und schmutzig aussehen, und man wird sehen, daß Jesus nur ein Mensch wie jeder andere ist. Vielleicht wird man sehen, wie er etwas verkündet, und das wird ziemlich interessant sein, aber man wird es nicht verstehen, weil kaum jemand Aramäisch versteht, und was die Eindringlichkeit seiner Botschaften betrifft, bin ich sicher, daß jeder Evangelist in seinem Zelt hundertmal überzeugender wirkt. Kurzum, die Kirche muß befürchten, daß sich die Menschen desillusioniert abwenden, wenn sie erst einmal den wirklichen Jesus gesehen haben.«
    Stephen nickte langsam. So ähnlich hatte er es sich auch schon zurechtgelegt.»Was ich, ehrlich gesagt, eine höchst erfreuliche Entwicklung fände«, sagte er.»Wenn ich einmal erleben könnte, daß der Papst in irgendein heillos übervölkertes Land reist, um gegen Empfängnisverhütung zu predigen, und keiner käme, um ihm zuzuhören, und wenn ich mir das als persönliches Verdienst anrechnen könnte, dann wüßte ich, wofür ich gelebt habe.«
    »Geht Ihnen das auch so?«meinte Eisenhardt erleichtert.»Das ist ja großartig. Ich dachte eigentlich, ich müßte jetzt endlos argumentieren…«
    »Das hatten Sie erwartet?«
    »Nun ja, Sie waren so sehr hinter dieser Kamera her, haben den Brief unterschlagen…«
    »Ich habe ihn vergessen. Wirklich. Ich hielt den Plastikbeutel natürlich zuerst nicht für einen wirklichen archäologischen Fund«, erwiderte Stephen seufzend.»Ich meine, niemand würde das. Ich dachte, jemand will mich reinlegen. Und dann dachte ich, es mit einem Verbrechen zu tun zu haben. Erst als ich Ihr Bild in der Zeitung sah und mir einfiel, wer Sie sind, reimte ich mir allerhand zusammen.«
    »Sie haben mein Bild in der Zeitung gesehen?«
    »Ja. An dem Abend, als Sie ankamen. Die Aufnahme schien in einem Flugzeug gemacht worden zu sein.«
    »Und Sie wußten, wer ich bin?«
    »Ich hatte Ihren Namen schon einmal gehört, ja. Jedenfalls wußte ich, daß Sie ein Science FictionSchriftsteller sind.«
    Eisenhardt schüttelte verwundert den Kopf.»Ich bin erfreut, das zu hören.«
    »Jedenfalls«, schlug Stephen den Bogen zurück,»betrachte ich mich als Agnostiker, wenn nicht gar als Atheist, und bin alles andere als gut auf die Kirche zu sprechen. Von mir aus könnten alle Religionen von diesem Planeten verschwinden.«
    »Genau«, nickte Eisenhardt.»Ganz genau. Es wäre ein Segen.«
    Ein magerer Mann in einem großkarierten Sakko ging an ihrem Tisch vorbei, ein Tablett mit einer Tasse Kaffee darauf tragend, eine Zeitung unter dem Arm, und setzte sich zwei Tische weiter. Stephen, beunruhigt, daß er den Mann nicht hatte kommen sehen, warf einen forschenden Blick in die Runde.
    »Sie fragen sich, warum ich so hinter der Kamera her bin«, meinte er dann, gedämpfter als zuvor.»Ich will es Ihnen sagen. Erstens — ich hatte die Entdeckung gemacht, verstehen Sie, aber man hat mich nicht eingeweiht, wollte mich nicht dabeihaben, und wenn ich es hätte laufen lassen, hätte man meinen Namen einfach unter den Tisch fallen lassen. So etwas lasse ich mir grundsätzlich nicht gefallen. Zweitens witterte ich eine Chance, wenn ich auch nicht so recht wußte, worauf. Aber wenn ich eine Chance sehe, packe ich zu, so bin ich nun mal. Irgend etwas wird schon dabei herauskommen, dachte ich mir. Geld vielleicht, oder Ruhm, oder beides. Auf jeden Fall ein interessantes Abenteuer, von dem man noch seinen Enkeln erzählen kann, wenn man alt und grau im Lehnstuhl am Kamin sitzt.«
    Eisenhardts Augen waren plötzlich ausdruckslos.»Wenn sich Kaun durchsetzt mit seinem Vorhaben«, erwiderte er,»dann kann das schwierig werden mit dem Erzählen. Vielleicht werden Sie nicht einmal alt und grau.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Verstehen Sie nicht?«fragte der Schriftsteller.»Was Kaun dem Vatikan verkaufen will, ist völliges Stillschweigen über diese Angelegenheit. Und es sind schon Menschen für geringere Summen gewaltsam zum Schweigen gebracht worden als für

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