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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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wie lange er schon da auf dem Bett saß oder ob überhaupt noch Zeit verging.
    In dieser Stille wurde plötzlich eine leise Stimme in ihm hörbar, die mäuschenfein, aber beharrlich schon die ganze Zeit dagewesen war, sich aber gegen all das hektische Getöse und Getriebe nicht hatte durchsetzen können. Eine Stimme, die einfach eine Frage stellte, die die ganze Zeit schon hätte gestellt werden müssen.
    Schritte auf dem Flur. Die Tür des Zimmers nebenan ging, dann kam Yehoshuah herein, allein. Er roch nach Zigarettenrauch und Küchendünsten und war guter Laune.
    »Mann, was sitzt du denn hier im Dunkeln?«rief er und knipste das Licht an.»Du hast was verpaßt«, erzählte er dann polternd, während er die Fensterläden zuzog.»Das Essen war nicht nur gut, sondern auch reichlich, der Wirt hat außerdem eine Runde spendiert, und dann waren da zwei, die Musik machten, einer am Klavier, der andere am Kontrabaß, und was für einen heißen Jazz!«
    Stephen sah ihn an wie aus einer anderen Welt.
    »Yehoshuah«, sagte er langsam und bedächtig,»was war das für eine Sekte, die diesen Schacht gegraben hat? Und vor allem — warum?«

31
    Herodes ließ das Areal des Tempelberges durch Stützmauern vergrößern und so eine ausgedehnte Terrasse schaffen.
    Hierauf wurde der T. errichtet, wobei die Vorhöfe terrassenförmig übereinanderlagen. Rings um den Tempelberg verliefen prächtige marmorne Säulenhallen, und zwei Brücken im Westen verbanden den T. mit der Stadt. Vor dem eigentlichen T. lag der innere Hof, der» Hof Israels «, mit einem 32x32 Ellen großen Altar, einem Becken für kultische Waschungen und einem Schlachthaus für Opfertiere. Im Westen schloß sich der Vorhof der Frauen an; vier Eckräume dienten den Nasiräern, den Leprakranken und zur Aufbewahrung von Holz und Öl.
    Avraham Stern, Lexikon der biblischen Archäologie DER STAPEL DER Fotokopien aus der wissenschaftlichen Arbeit ihres Vaters lag zwischen ihnen auf der Wachstischdecke, die den wackligen Frühstückstisch gegen verschütteten Kaffee schützen sollte, und Judith betrachtete die Papiere, als handle es sich um das obszönste Material, das ihr je unter die Augen gekommen war.
    »Ihr könnt ja gehen«, meinte sie abweisend.»Von mir aus.«
    Darauf würde es schließlich auch hinauslaufen, dachte Stephen. Sie waren alle Unterlagen noch einmal durchgegangen — das hieß, Yehoshuah war sie durchgegangen, da sie durchgehend in Hebräisch verfaßt waren -, aber es war nicht daraus hervorgegangen, wer den Gang unter den Tempelberg gegraben hatte und wozu er ursprünglich gedient hatte. Obwohl er auf etliche Begriffe gestoßen war, mit denen er nichts anfangen konnte, glaubte Yehoshuah, daß sein Vater in dieser Abhandlung überhaupt nicht darauf einging. Und obwohl der Schacht lange Jahre ein großes Thema in der Familie Menez gewesen war, erinnerten sich weder Yehoshuah noch Judith, ob ihr Vater dessen mutmaßliche Urheber jemals genannt hatte.
    Mit anderen Worten: sie mußten gehen und ihn fragen.
    »Ich verstehe nicht, wieso das so wichtig sein soll«, fuhr Judith grimmig fort.»Ich meine, der Gang existiert, wir wissen, wo er anfängt und wo er endet, und zufällig endet er da, wo Stephen hin will. Also, warum benutzen wir ihn nicht einfach und fragen später, bei wem wir uns bedanken müssen?«
    »Es ist nur ein Abstecher«, sagte Stephen.»Zwei Stunden, dann sind wir wieder hier. Das Problem mit dem Geld wird uns viel länger aufhalten.«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Okay. Die Antwort ist: Ich habe das Gefühl, daß es wichtig ist.«
    »Du hast das Gefühl«, wiederholte Judith spöttisch.»Na, das nenne ich mal einen guten Grund.«
    Stephen setzte eine undurchdringliche Miene auf und beschloß, den Spott an sich abprallen zu lassen. Wenn sie ihn nicht mochte, war das schließlich ihre Angelegenheit.»Ja«, erwiderte er leichthin,»so ist das nun mal. Mehr oder weniger geht es bei allem, was Menschen tun oder lassen, um Gefühle.«
    »Das ist doch bei dir auch so«, hielt Yehoshuah seiner Schwester vor.»Du findest es in Wahrheit deswegen unnötig, weil du Vaters Lebensweise nicht akzeptieren willst.«
    Judith setzte ihre Kaffeetasse so hart auf, daß ein großer Schwall der dunkelbraunen Flüssigkeit herausschwappte und sich auf dem speckigen Tischtuch verteilte. Stephen nahm rasch die Papiere hoch und rettete sie auf den vierten, unbenutzten Stuhl.
    »Ja«, erklärte Judith zornig.»Ganz genau. Die akzeptiere ich nicht, diese Lebensweise.

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