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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Stephen. Merkwürdige Vögel in einem merkwürdigen Adlerhorst.
    Gregor führte sie über die schmalen Trampelpfade, die zwischen den Beeten verliefen, durch das Kloster.»Dies ist unsere Kapelle«, sagte er zu einer reichlich baufällig wirkenden Kate in der dem Eingang gegenüberliegenden Ecke, drehte sich dann zur Seite und wies auf eine ähnlich altertümliche Hütte mit schrägem Dach,»dort sind unsere Schlafzellen, daneben das Refektorium und die Küche. Wir verwenden allerdings kein Feuer.«
    »Und das?«fragte Stephen und deutete auf ein niedriges Gemäuer, das Gregor übergehen zu wollen schien.
    Der Mönch zögerte einen Moment, dann führte er sie hinüber und öffnete die niedrige Tür.»Das ist das Beinhaus«erklärte er.
    Ihnen bot sich ein makabrer Anblick. Der Raum, in den sie die Köpfe hineinsteckten, erinnerte an einen Vorratskeller oder Werkzeugschuppen, nur daß in den langen Regalen an den Wänden statt Werkzeugen oder Einmachgläsern menschliche Knochen lagen, fein säuberlich nach Art und Größe sortiert, Arm-und Beinknochen in dem einen Fach, Beckenknochen in dem anderen, in einem Fach nur Rippen, in einem anderen nur Schädel, die kleinen Knochen der Handund Fußgelenke in einer Kiste, Rückenwirbel in einer anderen.
    »Wenn einer unserer Brüder stirbt, bleibt er begraben, bis sein Fleisch verwest ist«, erklärte Gregor mit beinahe heiterer Stimme.»Dann werden seine Knochen ausgegraben, gereinigt und hier verwahrt. Dies sind die sterblichen Überreste aller Mönche, die je hier gelebt haben, seit es das Kloster gibt.«
    »Aha«, machte Stephen und verzog das Gesicht. Eine beachtliche Anzahl. Wenn es nur nicht wie ein verdammtes Ersatzteillager ausgesehen hätte!
    Sie zogen die Tür wieder zu, atmeten auf und blinzelten in die flirrende Sonne, und Bruder Gregor kam wieder auf seine erste Frage zurück: was sie hierher geführt habe.
    »Wir wollen den Spiegel sehen, der das Antlitz Jesu bewahrt hat«, wiederholte Stephen, was er über die Mauer geschrien hatte.
    Bruder Gregor nickte mit ernster Miene.»Ich habe von dieser Legende gehört. Aber leider ist es nur genau das — eine Legende.«
    »Man sagt, der Spiegel befinde sich seit den Zeiten der Kreuzzüge in diesem Kloster.«
    »Tut mir leid. Bei uns gibt es, genaugenommen, überhaupt keinen Spiegel.«
    Stephen musterte das bärtige Gesicht des frommen alten Mannes, das plötzlich zu einer undurchdringlichen Maske geworden zu sein schien. War das vorstellbar? Daß dieser Mönch falsch Zeugnis reden würde wider ihn?
    »Wir haben«, pokerte er,»ziemlich sichere Hinweise, daß die Legende einen ganz bestimmten, realen Gegenstand beschreibt, und daß dieser Gegenstand hier versteckt wurde. Wir glauben, daß dieses Kloster sogar eigens erbaut wurde, um ihn zu verstecken.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen. Dieses Kloster wurde vor vielen Jahrhunderten gebaut von Männern, die sich aus der Welt zurückziehen und ganz der Betrachtung Gottes widmen wollten«, erklärte Bruder Gregor.»Im geistlichen Sinn, versteht sich.«
    In diesem Augenblick klingelte es in Stephens Hosentasche.
    »Was bedeutet das?«fragte der Mönch verwundert.
    »Das bedeutet, daß Sie nicht so weit von der Welt entfernt sind, wie Sie dachten«, erwiderte Stephen und zog sein Handy aus der Tasche. Wirklich erstaunlich, daß es hier draußen in der Wüste Empfang gab. Andererseits war die Wüste sicher der Ort, in der man mit der höchsten Wahrscheinlichkeit in die Situation kommen würde, einen Notruf aussenden zu müssen.»Das ist ein Telefon.«
    Die Augen des Mönchs waren weit aufgerissen.»Ein Telefon?«Er schien sich nur mühsam zu erinnern, was das überhaupt war.»In der Hosentasche?«
    »Ja. Eine höchst praktische Sache.«Stephen drückte auf den Empfangsknopf und hob das Gerät ans Ohr.»Hallo?«
    Die Stimme am anderen Ende war leise, verrauscht und undeutlich zu verstehen, aber er erkannte sie wieder. Es war gerade mal ein Tag vergangen, seit diese Stimme ihn schon einmal unvermutet angerufen hatte.
    Es war die Stimme Peter Eisenhardts:»Entschuldigung, ist dort das Auslandsamt?«

33
    KLÖSTER. Das christl. Mönchtum entstand im S.Jhdt. n.Chr. in Ägypten. Während der Ausbreitung nach Palästina entwickelten sich zwei Formen, die anachoretische und die koinobitische. Die Anachoreten lebten in sog. Lauren, d.h. jeder Mönch hauste in seiner eigenen Klause, abgesonderten Hütte oder Höhle. Die Koinobiten führten dagegen ein Leben in klösterlicher

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