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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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durchdringen.
    »Das muß ein Brunnen sein«, staunte Stephen. Er leuchtete das gewaltige Zugrad in dem Gestell darüber ab und versuchte zu ermessen, wie lang die Kette sein mochte, die darauf aufgewickelt war.»Ein unvorstellbar tiefer Brunnen, mitten ins Herz des Bergs hinein.«
    Eine Art Schüttöffnung war auf der gegenüberliegenden Seite in den Boden gemeißelt, die durch einen schmalen Schlitz führte, hinter dem es leise plätscherte. Offenbar wurde hier Wasser emporgeholt und in die Zisterne geschüttet, aus der man dann von oben her Wasser für den Garten und zur Zubereitung des Essens schöpfte.
    Aber woher kam dieses Wasser? Hier, mitten in der Wüste?
    »Unter dem Negev«, sagte Yehoshuah, als habe er seine Gedanken gelesen,»liegen riesige Wasservorräte aus der Eiszeit. Dieser Berg muß eine Art natürlichen Zugang zu diesem Wasser enthalten, das ist die einzige Erklärung.«
    »Ja«, nickte Stephen.»Bei allem Respekt glaube ich nicht, daß die Mönche auch diesen Brunnen gegraben haben. Selbst ihnen wäre klar gewesen, daß die Spitze eines Berges dafür nicht der richtige Ort ist.«
    »Leuchte mal hierher.«Yehoshuah kniete in schwindelerregender Nähe des gähnenden schwarzen Loches nieder und tastete den Boden mit den Fingern ab.»Hier. Ein Riß. Wahrscheinlich durchzieht er den ganzen Berg. Gut möglich, daß sich Steigrohre gebildet haben, die das Wasser eines Reservoirs in erreichbare Höhe gedrückt haben.«Er schien völlig vergessen zu haben, daß sie gejagt wurden und auf der Flucht waren.»Faszinierend. Man müßte untersuchen, ob…«
    »Ja, ja«, meinte Stephen ungeduldig. Er leuchtete rings umher. Es gab nur diesen einen runden Raum mit dem beeindruckenden Ziehbrunnen, und der Gang, den sie gekommen waren, stellte den einzigen Zugang dar. Das hieß, falls Bruder Gregor sich tatsächlich irgendwo hier unten verborgen hielt, mußte er in dem Gang sein, der von der Treppe aus nach links führte.
    Sie hörten Geräusche aus der Oberwelt, als sie den Weg zurückgingen. Schnelle Schritte, Rumpeln — als kämpfe jemand. Aber wären die alten Mönche, vorausgesetzt, sie wären willens, imstande gewesen, gegen irgend jemanden zu kämpfen?
    Sie passierten die Treppe, drangen in den anderen Gang ein. Der machte einen Bogen, wurde leicht abschüssig. Die Geräusche verschwanden wieder, und bedrückende Stille umfing sie. Es war, als stiege man in den Schoß der Erde hinab, in einen kalten, stillen, von Menschenhand geschaffenen Hades.
    Stephen blieb abrupt stehen, machte»Schsch!«, als Judith von hinten gegen ihn lief und schon zu einer Beschimpfung ansetzte, und knipste die Lampe aus. Er hielt die Luft an, als die Dunkelheit ringsum vollkommen wurde.
    Yehoshuah atmete geräuschvoll ein, beinahe erschrocken. Die Dunkelheit war nicht vollkommen. Von vorn, aus unbestimmbarer Ferne, mehr eine Ahnung als eine wirkliche Wahrnehmung, war ein kaum merklicher Lichtschein zu erkennen.
    In der perlmuttfarben schimmernden Dunkelheit kam Stephen plötzlich zu Bewußtsein, was für ein Gefühl sich in ihm regte, seit sie die Treppe hinabgestiegen waren. Ein Gefühl, das sich wie ein sanfter, ziehender Schmerz zwischen Rippenfell und Brustkorb zu schieben schien und das immer stärker wurde, je weiter er ging: schlichte, einfache Angst. Angst, die ihn anhalten und kehrtmachen lassen wollte. Angst, die ihm mit unhörbarer Stimme zuflüsterte, daß es doch völlig unnötig war, was er hier trieb, daß er genausogut einfach hinaufgehen und sich festnehmen lassen konnte, daß er es gut sein lassen sollte, schließlich hatte er getan, was in seinen Kräften gestanden hatte, und es gab nichts, was er sich vorwerfen mußte. Es war völlig unnötig, auch nur einen Schritt weiterzugehen.
    Stephen atmete langsam und sachte aus und ebenso sachte wieder ein. Lautlos. Merkwürdig — etwas war anders, hatte sich verschoben in dem ewig unentflechtbaren Gewirr von Ängsten, Wünschen, Begierden und Sehnsüchten, das ihn antrieb. Bis vorhin noch, als sie den Fuß des Klosterbergs erreicht hatten, hatte eine große Angst ihn beherrscht und vorangepeitscht: Was, wenn er etwas übersah? Wenn er einen Fehler machte? John Kaun ihm zuvorkam? Wenn er die Kamera womöglich nie zu sehen bekommen würde?
    Jetzt hatte die Angst plötzlich ein anderes Gesicht. Sie hieß: Was, wenn er tatsächlich fand, was er suchte?
    Es knackte, als Stephen die Lampe wieder einschaltete.
    Ohne daß sie ein Wort hätten wechseln müssen, bemühten sie

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