Das Jesus Video
in seine Kasse gebracht.
Doch jetzt das. Vom Flughafen riefe er an, hatte der Deutsche gezischt, und daß er bewacht werde, seinen Bewachern aber gerade entwischt sei.»Okay«, hatte Liebermann lakonisch gemeint und das Aufnahmeband seines Anrufbeantworters auf Mitschneiden geschaltet,»schießen Sie los.«
Während des Zuhörens war ihm der Unterkiefer immer weiter nach unten gesackt, zum Schluß mußte er völlig debil ausgesehen haben. Was für eine irre Story! Zeitreisende… eine Videokamera… ein amerikanischer Multimillionär, der uralte Aufzeichnungen von Jesus Christus jagte… und ein junger Student, der ihm eine Nasenlänge voraus war…
Absolut meschugge!
Immerhin, der Mann war bekannt dafür, Science Fiction zu schreiben. Vielleicht war er betrunken. Oder Schlimmeres. Jedenfalls war Vorsicht geboten.
Andererseits… War Israel nicht das Land der Wunder? Und wo Rauch war, da mochte auch Feuer sein. Selbst wenn man den ganzen Unsinn wegließ, blieb noch allerhand übrig, das der näheren Betrachtung wert war. Liebermann legte den Hörer so sachte auf die Gabel, als habe er sich in Meißener Porzellan verwandelt, ließ das Band zurücklaufen und hörte sich alles noch einmal an.
»Was für eine Phantasie«, murmelte er, während er ein paar Stichworte auf den Block neben dem Anrufbeantworter kritzelte. Wie es aussah, ging es im Kern um einen archäologischen Fund, hinter dem allerhand Ausländer her waren, womöglich mit mehr als fragwürdigen Mitteln, Methoden und Absichten.
Archäologie aber war in Israel mehr als Altertumswissenschaft. Ein Ausgrabungsfund konnte religiöse oder politische Überzeugungen legitimieren — oder sie erschüttern. In dieser Region, in der die Parteien, die um Macht und Einfluß rangen, ihre Ansprüche aus Ereignissen herleiteten, die teilweise Tausende von Jahren zurücklagen, war Archäologie auch Politik.
Deswegen schlug Uri Liebermann sein kleines schwarzes Notizbuch auf und begann, einige der Nummern darin zu wählen. Er telefonierte mit Ministerien, Politikern und Redakteuren. Einige seiner Anrufe lösten eine Kaskade weiterer Telefonate aus. Etwa zwanzig Minuten später klingelte Liebermanns Telefon seinerseits, und eine helle Frauenstimme meldete sich:»Vorzimmer von General Yaakov Nahon, ich verbinde.«
Der General ließ sich die ganze Geschichte noch einmal berichten.»Seltsame Sache«, schnarrte er dann.»Wie auch immer, ich habe drei Hubschrauber von der Einsatzbereitschaft Sinai in Marsch gesetzt. Wie war noch einmal der Name, den Sie zuletzt erwähnten?«
»Das Wadi Mershamon«, sagte der Journalist.»Da soll am westlichen Ende ein Kloster…«
»Korrekt, ich erinnere mich. Ein uraltes Kloster, stammt noch aus dem Mittelalter. Da leben nur ein paar Mönche… Wie auch immer, meine Hubschrauber werden aufräumen, was es aufzuräumen gibt.«
Uri Liebermann nutzte die Gelegenheit, um Interesse an einer exklusiven Berichterstattung über den ganzen Vorfall anzumelden. Da es schließlich seiner Initiative zu verdanken sei, könne man doch eine entsprechende Vereinbarung…
»Da dieser Vorfall«, beschied ihn den General knapp,»jetzt dem Militär übergeben wurde, unterliegt er der allgemeinen Geheimhaltung. Wenn Sie darüber berichten wollen, wenden Sie sich an den zuständigen Militärzensor. Ich wünsche einen angenehmen Tag.«
Uri Liebermann wartete mit dem Aussprechen seiner Wünsche, bis die Verbindung beendet war.
»Ich habe um Erleuchtung gebetet«, erklärte der alte Mönch,»um göttliche Führung. Daß ihr hierher gefunden habt, ist wie ein Zeichen…«
Sie sahen einander an. Stephen mußte husten. Der intensive Geruch der Öllichter erfüllte den Raum so stark, daß einem schwindlig werden konnte. Was redete der Mann da? Von einem Zeichen? Einem Spiegel? Da war doch nur ein über und über mit Gold bedeckter Kasten, was hatte der mit einem Spiegel… Aber wenn sie eine Videokamera suchten, dann hatte der Kasten die richtigen Abmessungen. Stephen spürte plötzlich ein Kribbeln im Nacken.
»Pater«, versuchte er zu dem Mann zu reden, der ihm vorkam wie in ein Selbstgespräch versunken,»da oben sind Hubschrauber gelandet, und vor den Toren des Klosters stehen Männer, die nach diesem Spiegel suchen. Hier ist er nicht sicher…«Wenn er nur selber gewußt hätte, was sie tun konnten! Aber sie waren hier unten gefangen, und früher oder spater würde man sie finden. Nämlich, sobald einer der übrigen Mönche das geheime Versteck
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