Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
kriegen!«
    »Ich wußte, daß ich es bereuen würde«, stieß Judith hervor, fiel aber sofort in die Schaukelbewegung ein.
    Der große hölzerne Eimer begann zögernd, hin und her zu pendeln wie eine riesige, seltsame Kinderschaukel — aber langsam, viel zu langsam, während sie unerbittlich tiefer sanken.
    »Halt!«schrie Stephen.»Anhalten!«
    Sie hörten ihn oben nicht. Wahrscheinlich wurden ihnen inzwischen die Arme lahm; es schien sogar schneller abwärts zu gehen als vorher.
    »Verdammt, verdammt…«Stephen schob die Taschenlampe in seine Brusttasche und reckte sich, streckte die Finger aus nach dem verfluchten Metallring, der ungerührt im Fels hing, kam ihm nahe bis auf Zentimeter, dann schwang das Pendel wieder zurück. Rutschte tiefer.»Fester!«Sie mußten einen dieser Ringe zu fassen bekommen und sich dann mitsamt dem Schöpfeimer von Ring zu Ring abwärts ziehen, um schließlich auf dem Felspodest aufzusetzen. War das in Vergessenheit geraten, oder hatte Bruder Gregor vergessen, sie daraufhinzuweisen?»Noch fester!«
    Sie schaukelten mit aller Energie. Der dritte Haltering war inzwischen zu hoch, um ihn noch erreichen zu können, die letzte Hoffnung war der vierte. Nur war der noch weiter weg von ihnen, schier unerreichbar. Und sie sanken immer noch. Sie mußten ihn innerhalb der nächsten zwei Pendelschwünge zu fassen bekommen, sonst war auch diese Chance dahin.
    Der erste Schwung, weit ausholend. Stephen reckte die Hand, als wolle er sich den Arm aus dem Gelenk strecken, fühlte das kalte Metall für einen Augenblick an den Fingerspitzen.»Beinahe! Gleich hab’ ich ihn!«
    Judith legte sich ins Zeug, als gelte es, auf einer Jahrmarkts-Schiffsschaukel den Überschlag in Rekordzeit zu schaffen. Aber die Schwingungsdauer eines Pendels hängt einzig und allein ab von seiner Länge, und die Kette, an der sie pendelten, war inzwischen unglaublich lang. Es schienen Minuten zu vergehen, ehe sie den Umkehrpunkt auf der anderen Seite erreichten, und dann noch einmal endlose Zeit, während sie zurückschwangen.
    Stephen streckte wieder die Hand aus. Irgendwie schien jede Zelle seines Körpers zu wissen, daß es nun darauf ankam. Die Felswand glitt näher, geradezu graziös. Der metallene Ring glänzte stumpf auf dem schwarzen Stein. Die Finger reckten sich, als könnten sie im Notfall die Zentimeter wachsen, auf die es ankam.
    »Ja!«Er hatte ihn, hatte Zeige-und Mittelfinger eingehakt und schrie auf, als ihm das zurückschwingende Pendel schier den Arm abreißen wollte. Sterne tanzten vor seinen Augen, und irgendwas schien tatsächlich zu reißen in seinem Arm und seiner Hand, aber mit einem unmenschlichen, stöhnenden Laut brachte er noch weitere Finger und den Daumen in den dicken Eisenring und bekam ihn ganz und gar zu fassen.
    »Du hast ihn!«rief Judith. Sie hingen schräg an der Felswand, und ein beträchtlicher Teil ihrer beider Gewicht und des Gewichts des hölzernen Troges, in dem sie standen, zerrte nun an Stephens Arm. Judith arbeitete sich um die Kette herum, versuchte ihm die Last zu erleichtern, indem sie ebenfalls nach dem Ring langte.
    Ein Rucken. Ihr Trog sank tiefer. Stephen hielt den Eisenring fest, als sei seine Hand damit verschweißt.
    »Greif nach dem nächsten!«keuchte er.
    »Okay.«Sie reckte die Hand nach unten.
    In diesem Moment knirschte etwas. Es war ein leises, aber bedrohliches Geräusch. Und unüberhörbar.
    »Das darf nicht wahr…«, murmelte Stephen. Der Eisenring. Der Eisenring in seiner Hand war die Quelle des knirschenden Geräusches. Hatte er sich etwa auch bewegt? Nein. Bestimmt nicht.»Faß den nächsten Ring!«stieß er hervor.»Schnell!«
    »Wir sind noch nicht tief genug!«
    Es knirschte wieder, lauter diesmal, häßlicher. Und der Eisenring hatte sich bewegt.
    »Verdammt!«
    Die Verankerung des eisernen Rings, nach Jahrhunderten in feuchter Luft durch und durch korrodiert, gab mit einem weiteren, noch häßlicheren Geräusch nach, glitt knisternd aus dem Felsgestein, in das sie eingebettet gewesen war, zerbröselte zu rostigem Staub. Sie konnten mit Mühe verhindern, herauszufallen, als das Pendel mit ihnen zurückschwang. Gleichzeitig gab es den Ruck in die Tiefe, den sie drei Sekunden vorher hätten brauchen können, und dann noch einen, der sie endgültig aus der Reichweite der Haltegriffe brachte.
    Sie hielten sich an der Kette fest und pendelten mit dem hölzernen Trog langsam tiefer, auf das schwarze, träge Wasser zu. Stephen hielt den eisernen Haltering

Weitere Kostenlose Bücher