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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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in das Licht, das aus seiner Hemdtasche in die Höhe strahlte, und betrachtete ihn.
    »Die sind wahrscheinlich alle so«, überlegte er.»Vollkommen verrostet. Hätten wir uns eigentlich denken können.«
    »Und was machen wir jetzt?«fragte Judith und sah bang nach unten.
    »Keine Ahnung.«Er sah auch nach unten. Die Oberfläche des unterirdischen Sees sah aus wie schwarzer, unergründlicher Schlamm, nicht wie Wasser. Und sie kam immer näher. Bestimmt war es Wasser, aber so kalt, daß sie nach wenigen Minuten erfrieren würden, wenn sie hineinfielen. Abgesehen davon, daß es keinen Ort gab, an den sie sich schwimmend hätten retten können. Er zog die Lampe wieder hervor und leuchtete den fernen Rand des Sees ab. Tatsächlich überall glatter Fels.
    »Sie müssen die Kette anhalten«, meinte er dann.»Laß es uns versuchen. Wenn wir beide zusammen so laut wie möglich schreien, hören sie uns vielleicht.«»Okay.«
    »Auf drei. Eins — zwei -«
    Sie schrien gleichzeitig, was die Lungen hergaben, daß es in der Felskaverne nur so dröhnte. Halb und halb erwartete Stephen, daß sich Steinchen lösen und ins Wasser stürzen würden, aber das geschah nicht. Die einzige Antwort war, daß sie wieder ein paar Handspannen weit herabgelassen wurden. Mittlerweile hingen sie schon tiefer als das Felsplateau, das es zu erreichen galt. Es wurde allmählich wirklich kritisch.
    Moment mal. Das Felsplateau…
    »Wir müssen uns direkt zu dem Vorsprung hinüberschwingen!«rief Judith aus, die in diesem Moment auf die gleiche Idee gekommen war.»Das ist die einzige Möglichkeit.«
    Sie versetzten den Holzkübel wieder in pendelnde Bewegungen, mit mächtigen, gemeinsamen Schaukelbewegungen. Das sah endlich gut aus. Sie würden es schaffen, überhaupt keine Frage.
    »Wir müssen springen!«rief Stephen. Es gab auf der glattgehauenen Steinterrasse nichts, was so aussah, als könne man sich daran festhalten.»Du zuerst!«
    »Nein, du!«protestierte Judith.»Du hast die Kamera.«
    »Scheiß auf die Kamera! Du springst zuerst! Achtung…«Der Kübel erreichte den maximalen Ausschlag, dicht über dem Plateau.»Jetzt!«
    Judith sprang, landete, wie es aussah, heil auf allen vieren und war in Sicherheit.
    Das Pendel trat den behäbigen Rückweg an. Stephen schob den Beutel mit der Kamera unter seinen Armen hindurch auf den Rücken. Vorsichtshalber. Dabei sah er beunruhigt die Kette hinauf, an der er sich mit der anderen Hand festhielt. Als Judith gesprungen war, hatte es einen scharfen Ruck in der Kette gegeben — einen Ruck, der sich anders angefühlt hatte als die bisherige Abwärtsbewegung. Beunruhigend anders.
    Die gemächliche Rundreise durch die lichtlose Kathedrale mit dem Fußboden aus Wasser schien endlos zu dauern. Stephen hielt den Atem an. Die Kette fing allmählich an, in seiner Hand ganz ungesund zu zittern. Das war nicht gut. Er war sich sicher, daß das gar nicht gut war.
    Der Rückweg. Die Kette begann zu ächzen, während der Felsvorsprung näher kam. Judith stand schon da, wartete auf ihn. Er machte sich bereit.
    Die Kette riß einen Sekundenbruchteil, bevor er sprang, gerade rechtzeitig, um ihm den festen Ausgangspunkt für seinen Sprung unter den Füßen wegzuziehen. Stephen schrie auf, griff ins Nichts und schlug im nächsten Augenblick hart mit der Brust gegen einen Widerstand, der sich anfühlte wie ein Rammbock und ihm die Luft aus den Lungen trieb. Er sah nicht, was es war, denn seine Lampe war plötzlich verschwunden und alles ringsum dunkle Nacht, aber es tat weh und er rutschte, was sich ganz schlecht anfühlte, und seine wild umhertastenden Finger bekamen nichts zu fassen, was als Halt getaugt hätte. Und er hing über einem Abgrund und rutschte.
    Da faßte eine Hand zu, eine geradezu stählerne Hand, packte ihn am Handgelenk und schien entschlossen, ihn niemals wieder loszulassen. Judith. Unglaublich, wieviel Kraft sie hatte. Immer noch hatte die Luft den Weg zurück in seine Lungen nicht gefunden, deswegen konnte er nichts sagen, nichts rufen, nicht einmal stöhnen.
    Hinter ihm stürzte der hölzerne Bottich donnernd in den See. Das sprichwörtliche schwächste Glied, an dem die Kette gebrochen war, mußte sich ziemlich weit oben befunden haben, denn das ohrenbetäubende Rasseln der fallenden Kette wollte überhaupt kein Ende nehmen. Stephen hing an der Felskante, rang nach Luft, und hinter und über ihm rasselte und prasselte es wie der einstürzende Himmel. Eine zweite Hand krallte sich in sein Hemd, bekam

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