Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Professor WilfordSmith mit fester Stimme, in der ein gehöriges Maß Entrüstung mitschwang,»wer Sie sind, was Sie hier wollen und wie Sie dazu kommen, meine Fenster einzuschlagen?«
    Man hätte noch ganz andere Fragen stellen können. Zum Beispiel die, wie die Männer dazu kamen, Schußwaffen auf sie zu richten. Stephen zählte bei einem kurzen Blick in die Runde insgesamt sieben von ihnen. Sie trugen allesamt schwarze Rollkragenpullover und schwarze Hosen. Als seien sie drei schwerbewaffnete Geiselgangster, die es zu überrumpeln galt, waren die schwarzen Gestalten durch beide Türfenster zugleich hereingebrochen, und offenbar verstanden sie sich auf derartige Aktionen, denn drei von ihnen, die wohl vorher schon auf wesentlich unauffälligere Weise in das Haus eingedrungen sein mußten, hatten im nächsten Augenblick in der offenen Zimmertür gestanden, so daß sie eingekreist waren.
    Einer von ihnen, etwas gedrungener als die anderen und wohl so etwas wie der Anführer, trat vor. Glassplitter knirschten unter seinen schwarzen Stiefeln. Er hatte graues, kurzgeschorenes Haar und kalte, ebenfalls graue Augen.
    »Wenn Sie sich ruhig verhalten, geschieht Ihnen nichts«, erklärte er.
    »Den Teufel werde ich tun«, erwiderte WilfordSmith zornig.»Ich verlange eine Erklärung!«
    »Seien Sie nicht albern«, versetzte der Mann unwirsch.»Wir sind hier nicht im Kino. Geben Sie mir die Videocassette, die Sie eben abgespielt haben.«Er streckte die Hand aus.
    Der Professor starrte ihn nur an wie einen Geist. Er rührte sich nicht.
    »Hören Sie schlecht?«raunzte ihn der Eindringling an.»Das Video!«
    »Sie kommen im Auftrag des Vatikans.«Der alte Archäologe schien unfähig zu handeln, ehe er nicht verstanden hatte, was hier geschah. Seine Stimme klang tonlos, voll unguter Ahnung.»Ist es nicht so? Monsignore Scarfaro hat Sie geschickt. Wie sind Sie hierhergekommen? Und ausgerechnet heute. Haben Sie die beiden verfolgt? Sie seit Jahren überwacht? Haben Sie unser Gespräch vorhin mitgehört? Ja. Ich glaube, all das haben Sie getan.«
    »Uns«, erklärte der Mann und stieß den Professor beiseite,»gibt es überhaupt nicht.«Er nahm die Videocassette aus dem Abspielgerät und betrachtete sie.»Und diese Cassette«, fuhr er fort,»gibt es auch nicht.«Er steckte sie in die Tasche.
    Stephen verfolgte die Geschehnisse wie gelähmt. So, als läge er wieder mit einer Infusionsnadel im Arm auf einer Pritsche in einem Lastwagen, gerade dem Tod entronnen. Es geschah wieder, und es würde, das erkannte er mit kristallener Klarheit, immer wieder und wieder geschehen. Hier, in diesem Zimmer und in diesem Augenblick, wurde Jesus wieder gekreuzigt. Wann immer Menschen an der Herausforderung des Lebens scheiterten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als Jesus zu kreuzigen. Auch das konnte den Schmerz nicht von ihnen nehmen, aber es war die einzige Erleichterung, die blieb.
    Diese hier waren nur Handlanger. Stephen sah sich um, unauffällig. Je zwei Männer hielten ihre Waffen auf einen von ihnen gerichtet, sorgfältig abgesprochen, professionell trainiert. Aber sie waren nur Handlanger, ahnungslose Gehilfen. Ob römische Legionäre oder schwarzgekleidete Revolvermänner, es machte keinen Unterschied. Und sie waren eine unüberwindliche Übermacht. Auch das schien unvermeidlich und unabänderbar: daß das Böse, Dunkle immer die Übermacht hatte.
    Er mußte an das Kloster im Negev denken, an den Moment, in dem der Abt ihm das größte Heiligtum seines Ordens anvertraut hatte. Er hatte dieses Vertrauen bereits am nächsten Tag enttäuscht, und heute enttäuschte er es schon wieder. Die alte Prophezeiung, der der Mönch gefolgt war, sie hatte sich geirrt.
    Oder gab es eine Möglichkeit? Er sah zu Eisenhardt hinüber. Der Schriftsteller verfolgte die Ereignisse mit einer Miene, in der sich Furcht, Abscheu und Verwunderung mischten. Sieben Männer, von denen sechs die Läufe ihrer schwarzen, gedrungenen Waffen auf sie gerichtet hielten. Mit Gewalt würde sich nichts ausrichten lassen, aber vielleicht mit Köpfchen, mit einem schlauen Trick… irgend etwas mußte ihm doch einfallen, und wenn, dann schnell…! Ihm war doch immer etwas eingefallen. Sein ganzes Leben lang hatte er immer einen Trick gewußt, immer einen Kniff auf Lager gehabt, noch einen Pfeil im Köcher, hatte um eine Ecke weiter gedacht als die anderen und hatte so erreicht, was er erreichen wollte.
    Aber ihm fiel nichts ein. Seine Nerven fühlten sich an wie taub und tot,

Weitere Kostenlose Bücher