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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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war ja lächerlich. Und dafür der ganze Aufwand? Er spürte, wie eine eklige, bleischwere Enttäuschung auf seine Schultern, seine Brust, seinen ganzen Körper herabsank; es fühlte sich fast an wie damals, als er seiner ersten wichtigeren Freundin einen Heiratsantrag gemacht und sie ihn zurückgewiesen hatte.
    Das ist alles nicht wahr, dachte er. Der Professor legt uns doch schon wieder rein.
    Für Stephen Cornelius Foxx, vierundzwanzig Jahre alt, unverheiratet, geboren in Maine, USA, Student der Volkswirtschaft und nebenberuflich Inhaber einer Softwarefirma, veränderte dieser Morgen in Barnford, Südengland, sein ganzes Leben.
    Als der Videorecorder summend anlief, starrte er nur auf den Fernsehbildschirm und fragte sich, wieso er nichts empfand, keinen Triumph, keine gespannte Vorfreude, nichts. Er saß da und starrte, als gehöre er überhaupt nicht hierher. Alle Erwartungen und Vorstellungen, die in den letzten Wochen sein Blut hatten kochen lassen, waren plötzlich unauffindbar verschwunden, von ihm abgefallen wie die Blätter einer überreifen Blüte. Wenn er überhaupt etwas empfand, dann war das Trauer, daß die ganze Suche nun vorüber sein sollte. Nun hieß es also, sich ein neues Ziel zu suchen, das man verfolgen konnte, und danach wieder eines und wieder eines, und das würde immer so weitergehen. Es war eine seltsame, tiefe Traurigkeit, die ihn ganz passiv und schwer werden ließ. Im Grunde wollte er das Video gar nicht mehr sehen.
    Die Worte des Abtes fielen ihm wieder ein, die dieser in den Katakomben des Klosters im Negev über das Heiligtum gesagt hatte, das sie den»Spiegel«genannt hatten. Es heißt, wer hineinsieht, ist nicht mehr derselbe danach. Was immer darin zu sehen ist, es verändert einen Menschen für immer. Eine wilde Panik wallte in ihm auf, als er daran dachte, und an die Flucht, die Wüste, die verzweifelten Kämpfe… Er hatte Angst, das war es. Er hatte plötzlich unglaubliche Angst davor, die Aufnahme zu sehen.
    Aber er blieb sitzen.
    Als die farbigen Schlieren sich klärten und das Bild schärfer wurde, zeigte sich eine helle Landschaft, wie er sie von Israel in Erinnerung hatte, nur grüner, saftiger. Die Kamera, ungefähr in Bauchhöhe getragen, wackelte wild herum, zeigte Männer und Frauen in überwiegend graubrauner, altertümlicher Kleidung. War einer von diesen Männern nun Jesus? Und wenn ja, welcher?
    Die Kamera wurde auf einem Tisch abgestellt, das schwankende Bild kam zur Ruhe. Dann ein viel zu rascher Schwenk, als sie in eine andere Richtung gedreht wurde. Krüge und Becher wurden aus dem Blickfeld genommen, so daß die Sicht frei wurde auf einen Mann, der am Ende des Tisches saß und aß. Und der in genau diesem Augenblick hochsah, zunächst auf einen Punkt über der Kamera, wohl auf denjenigen, der sie getragen und ausgerichtet hatte, dann direkt in das Kameraobjektiv, so, als wisse er ganz genau, was hier gespielt wurde.
    Diese Augen… Stephen hielt erschrocken den Atem an. Es waren große schwarze Augen, wie unendlich tiefe Brunnenschachte, wie Abgründe. Es wurde einem schwindlig, wenn man hineinsah. Auf eine unfaßbare Weise war dieser Mann ganz da, völlig präsent in dem, was er gerade tat, und gleichzeitig nicht von dieser Welt. Er brach Brot, tauchte es in eine Schüssel und aß es, und jede dieser Bewegungen war von einer überwältigenden Majestät.
    So etwas hatte er noch nie gesehen. Etwas ging aus von diesem Mann, selbst von seinem Fernsehbild, selbst über den Abgrund der Jahrtausende hinweg.
    Was immer darin zu sehen ist…
    Und dann sprach er. Sprach mit Menschen, die mit ihm am Tisch saßen und ihn scheu ansahen, sicherlich berührt von dem Gleichen, das auch Stephen in diesem Moment fühlte und das göttliche Macht zu nennen sich etwas in ihm weigerte, obwohl es der Sache am nächsten gekommen wäre. Seine Stimme war warm und tief, und er sprach wohlmoduliert, beinahe, als hätte er eine tiefe Freude daran, die Worte zu formen und auszusprechen, als genösse er jedes einzelne Wort, das über seine Lippen ging. Es klang, als spräche die Erde selbst oder das unendliche Weltall oder der Ozean oder der brennende Dornbusch. Und wenn er zuhörte, dann ruhten seine unergründlichen Augen auf dem, der sprach, hörten jedem Wort zu mit einer Intensität, die das, was gesagt wurde, in den Fluß der Zeit selbst zu meißeln imstande zu sein schien.
    Was immer darin zu sehen ist, es verändert einen Menschen für immer.
    Er spürte es. Wie Hitze stieg es in

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