Das Jesus Video
sein Hirn wie trockengelegt. Das, was er gesehen hatte, wühlte immer noch in ihm, brannte wie Feuer, kochte, brodelte. Die ganze Welt sollte dieses Video sehen, das hatte er dem alten Priester versprochen, aber er würde sein Versprechen nicht halten können.
»Sie dürfen das nicht tun!«hörte er sich plötzlich sagen. Der Mann sah ihn an, und er wiederholte es:»Sie dürfen das nicht tun.«
»Wie bitte?«fragte er.
»Sie wissen ja nicht, was dieses Video bedeutet«, beschwor Stephen ihn. Sein Herz raste. Immerhin hatte er ihn dazu gebracht anzuhalten, zurückzutragen, zuzuhören. Vielleicht gab es doch noch eine Chance. Vielleicht war ihm dieser Moment vom Schicksal geschenkt worden, um letztlich doch noch alles gutzumachen.»Ich bitte Sie, schauen Sie sich das Video doch erst einmal an. Es ist für alle Menschen bestimmt.
Sie dürfen es ihnen nicht wegnehmen, oder Sie machen sich auf eine unvorstellbare Weise… schuldig!«
Der Mann mit den grauen, leblosen Augen, die gläsernen Kugeln glichen, sah ihn an. Stephen erwiderte den Blick. Hatte er ihn erreicht? Manche Dinge durften einfach nicht geschehen, und dies war eines davon. Er hatte einmal versagt, als er die Kamera verloren hatte. Er durfte nicht noch einmal versagen. Wenn es ihm gelang, wenigstens dieses Video zu retten, dann war er nicht ganz gescheitert.
»Ich weiß, was dieses Video bedeutet«, sagte der Mann schließlich.»Glauben Sie mir, ich weiß es besser als Sie alle.«
Damit gab er seinen Männern einen Wink, und im nächsten Moment waren sie alle verschwunden wie ein Spuk. Ein paar Schritte raschelten im Laub, in der Ferne wurde ein Motor angelassen, dann kehrten die Raben zurück, landeten auf dem Rasen vor den eingeschlagenen Fenstern und schauten aus dunklen Knopfaugen herüber.
Der Schock schien die Zeit angehalten zu haben. Eine Weile war es so still wie nach einer Explosion, und keiner wollte es wagen, zu atmen.
Der Professor stand schließlich schwerfällig auf, tappte zu den Fenstern hinüber und besah sich den Schaden.
»Beide Fenster«, brummelte er und schob unentschlossen einige der Scherben mit den Schuhen zusammen.»Als ob eines nicht gereicht hätte. So eine Übertreibung.«Er machte einen Schritt hinaus in den Garten, vorsichtig, um sich an hervorstehenden Splittern nicht zu verletzen, und sah skeptisch zum Himmel hinauf.»Es regnet heute bestimmt noch. Ärgerlich, das alles.«
Er kam wieder herein, besah sich kopfschüttelnd das Durcheinander aus geborstenem Holz und zersplittertem Glas.»Heute bekomme ich keinen Handwerker mehr her. Ich muß die Fenster anders abdichten. Mit Plastikfolie vielleicht. Ja, das müßte gehen.«
Eisenhardt hockte mit eingezogenem Nacken auf seinem Stuhl und beobachtete den Archäologen mißtrauisch.»Kann mir bitte einmal jemand sagen«, begann er schließlich,»was das Ganze eigentlich sollte?«
»Sie haben das Video«, hörte Stephen sich tonlos sagen. Es war eher ein fassungsloses Flüstern.
WilfordSmith sah ihn unter seinen buschigen weißen Augenbrauen hervor an.»Erinnern Sie sich an einen Mann namens Scarfaro, Mister Eisenhardt? Sie erinnern sich, Stephen. Scarfaro war einmal im Ausgrabungslager von Bet Hamesh, um mit Kaun zu sprechen.«
»Ja«, nickte der Schriftsteller.»Ich erinnere mich. Er kam aus Rom. Ein Inquisitor, oder so etwas in der Art.«
»Scarfaro ist so etwas wie ein dunkler Agent des Vatikans. Er war es, der die Kamera zerstört und ihre Trümmer an sich genommen hat. Er war es auch, der diese Männer geschickt hat.«
»Aber wieso ausgerechnet jetzt?«entfuhr es Stephen.»Wieso ausgerechnet heute und hier?«
Der Professor sah ihn durchdringend an.»Ich fürchte, Sie waren es, der sie auf mich aufmerksam gemacht hat.«»Ich?«
»Sie waren es, der die Kamera gefunden hatte. Erinnern Sie sich? Scarfaro wußte das. Bestimmt hat er Sie überwachen lassen. Mister Eisenhardt war wohl nicht wichtig für sie, und ich war es bis heute sicher auch nicht, denn sonst wären sie viel früher dagewesen. Sie müssen Sie verfolgt haben, Stephen, müssen uns belauscht und dann sofort zugeschlagen haben.«
Stephen hörte mit steinernem Gesicht zu. Er versuchte, sich zu erinnern, aber da war nichts. Keine Verfolger, keine verdächtigen Anrufe, keine durchwühlte Wohnung, kein Knacken in der Leitung. Falls er überwacht worden war, dann hatte er jedenfalls nichts davon gemerkt.
Aber er hätte damit rechnen müssen. Es war unverzeihlich gewesen, nicht einmal daran zu
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