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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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über die Renaissance. Sie kann uns bestimmt helfen, sie kennt diese Epoche sehr gut. Übrigens hat sie ihre Magisterarbeit über die Homosexualität in der Malerei der Renaissance geschrieben.«
    »Ah, ich verstehe. Eine Freundin von Ihnen. Aber warten Sie mal«, begriff ich plötzlich, »ist das nicht die Person, von der Sie mir neulich erzählt haben?«
    Sophie wandte sich um und betrachtete mich amüsiert.
    »Habe ich Ihnen von ihr erzählt?«
    »Ja! Eine Person, die Mathematik und Kunstgeschichte unterrichtet und in die Sie verliebt gewesen sind.«
    Sophie drehte sich um und ging uns lachend voraus. Ich war ziemlich verblüfft. Sophie wollte also mit uns eine ehemalige Geliebte in London besuchen. Wirklich keine schöne Art, den Abend zu beenden.
    Ich warf Badji einen ironischen Blick zu und fragte: »London, Baby, yeah. Kommen Sie mit?«
    »Selbstverständlich. Ich folge Ihnen auf Schritt und Tritt. Aber wir müssen Chevalier informieren. Und wie Sie bereits sagten, ich bin nicht sicher, ob er sich freuen wird.«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Der Wille einer Frau.«
    Badji nickte und wartete, bis ich mich wieder in Bewegung gesetzt hatte, dann folgte er mir.
    Aus einer Telefonzelle rief Sophie in London an, um ihre Freundin von unserer bevorstehenden Ankunft zu benachrichtigen. Dann kaufte sie sich – Badjis Rat folgend – eine neue Telefonkarte. In der Zwischenzeit telefonierte ich mit François und erklärte ihm, dass wir nach London fahren würden.
    Als wir im Auto saßen, hatten Sophie und ich reichlich Mühe, Badjis kugelsichere Westen anzuziehen. Der Renault Safrane wurde zu einer Umkleidekabine umfunktioniert, worüber wir uns vor Lachen ausschütteten, was so gar nicht zum Ernst der Lage passen wollte.
    Knapp eine Stunde später erreichten wir den Bahnhof Gare du Nord.
    *
    Als ich an der Place Napoléon III aus dem Auto stieg, blickte ich an der riesigen Fassade des Gare du Nord mit seinen korinthischen Pfeilern hoch. Hier vermischten sich auf elegante Weise der neoklassizistische Stil mit architektonischen Strukturen aus Gusseisen und Glas. An die rechte Seite des Gebäudes hatte man eine neue weiße Abfahrtshalle gebaut, zu der uns Badji nun führte. Vermutlich wollte er auf diese Weise die Menge umgehen, die sich vor dem Haupteingang drängte. Auf der Höhe des Hotel Apollo bahnten wir uns einen Weg auf die andere Straßenseite, dann ließ uns der Bodyguard in das neue Gebäude vorausgehen.
    Ich stieß die Glastür auf. Es dämmerte schon, doch die riesige kuppelförmige Halle war noch lichtdurchflutet. Das große Glasdach und die Fensterfronten über den Türen ließen die letzten Sonnenstrahlen herein, die sich an den Wänden und auf dem Boden spiegelten, als sei es noch mitten am Tag.
    Ich wollte geradewegs auf die erstbesten Schalter zugehen, als Sophie mich auf halbem Weg zurückhielt.
    »Warten Sie, hier werden lediglich Fahrkarten für die Île-de-France verkauft. Wir müssen dort entlang gehen«, sagte sie und deutete auf den ältesten Teil des Bahnhofs, der zu unserer Linken lag.
    Ich nickte und bat Sophie, vorauszugehen. Über die Lautsprecher der angrenzenden Halle wurde etwas Unverständliches angekündigt. Die weibliche Stimme hallte in dem riesigen Bahnhof wider. Ich wandte mich zu Sophie um, die mir einen fragenden Blick zuwarf. Ich sagte nichts, sondern ging auf sie zu und ergriff ihren Arm. Wenn man schon am Morgen von einem Heckenschützen angegriffen wurde und wenn man wusste, dass man das Ziel fanatischer Verfolger war, neigte man bedauerlicherweise dazu, in jedem Fremden einen Feind zu sehen.
    Plötzlich gab uns Badji einen leichten Schubs, um uns voranzutreiben, während er sich ebenfalls umschaute, und nun begriff ich, dass er denselben Eindruck hatte wie ich. Ich träumte nicht.
    Wir wurden schon wieder verfolgt.
    Die Raben. Wie hatten sie so leicht unsere Spur finden können? Seit wann folgten sie uns? Als ich Chevaliers Haus verlassen hatte, war niemand zu sehen gewesen. Auch nicht im Centre Pompidou.
    An Sophies Blick erkannte ich, dass sie nun ebenfalls ihre Anwesenheit spürte. Sie waren so deutlich zu spüren, wie eine Drohung, oder wie ein aufkommender Sturm. Vielleicht handelte es sich um eine oder zwei Gestalten, die wir zu oft wahrgenommen hatten. Oder um eine bestimmte Bewegung in der Menge. Sie kamen näher.
    In der Rue de Vaugirard war ich ihnen noch entwischt, hier würden sie mich nicht verfehlen. Und ich konnte nicht ewig fliehen.
    »Ich weiß nicht,

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