Das Jesusfragment
Text Jesu handelt, da die Gemeinschaft behauptet, in direkter Linie von den Zeitgenossen Christi abzustammen. Sie haben doch herausgefunden, dass der Stein von Iorden eine Reise quer durch die ganze Geschichte gemacht hat. Wenn diese Religionsgemeinschaft fast zweitausend Jahre lang geheim geblieben ist, dann zweifellos deswegen, weil sie etwas Kostbares hütete. Nach dem Vorbild der Templer, die das Grab Christi hüteten, wachten diese Gläubigen über etwas anderes. Sie hatten Glück, weil sie in dieser abgelegenen Gegend lebten und nicht mitten in Jerusalem. Und wenn man sie nach zweitausend Jahren getötet hat, dann deshalb, weil sie diese Kostbarkeit immer noch besaßen. Ich tendiere eher zu der verschlüsselten Botschaft Jesu.«
Sophie stimmte mir zu. »Das klingt vernünftig. Vermutlich ist jemand gekommen, um diese Kostbarkeit zu stehlen und hat dann alle Mönche ermordet. Und dann haben diese Leute Borella beseitigt, weil er zu viel darüber wusste.«
»Und bei seiner Tochter mussten die erst mal rauskriegen, ob sie etwas wusste, und als die sahen, dass ich ihre Wohnung betrat, beschlossen sie, sie ebenfalls zu eliminieren.«
»Wer sind die?«
»Das ist die große Frage! Der Bilderberg oder Acta Fidei«, schlug ich vor, »wir wissen ja, wozu sie fähig sind.«
»Das ist nur eine Hypothese, aber sie ist plausibel. Das würde bedeuten, dass einer der beiden Gegenstände der Suche von unseren unsichtbaren Feinden gefunden wurde: der verschlüsselte Text.«
»Und der zweite Gegenstand, der Schlüssel, befindet sich irgendwo auf der Welt.«
»Meiner Meinung nach glauben unsere Feinde, dass Ihr Vater diesen zweiten Gegenstand, den Stein von Iorden, besaß. Deshalb haben sie ihn umgebracht und deshalb haben sie das Haus in Gordes auf den Kopf gestellt, als Sie dort eintrafen.«
»Natürlich! Und jetzt müssen die denken, dass ich den Stein von Iorden besitze!«
»Mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit. Aber etwas anderes macht mir noch Kopfzerbrechen.«
»Was?«, fragte ich.
»Die Mona Lisa. Leonardo da Vinci. Wir wissen immer noch nicht, was das Bild damit zu tun hat.«
»Ach ja, und diese seltsame Maschine im Keller meines Vaters. Ganz zu schweigen von Dürers Melancolia. Auch wenn sein Manuskript uns viele Aufschlüsse gegeben hat, wissen wir immer noch nicht genau, in welchem Zusammenhang der Kupferstich mit allem anderen steht. Das müssen wir unbedingt herausfinden.«
»Während wir darauf warten, dass Chevalier neue Infos über den Stein von Iorden findet.«
»Ausgezeichnet!«, stimmte ich zu. »Was mir Angst macht, ist Folgendes: Wenn wir dieses Rätsel lösen wollen, werden wir eines Tages die verschlüsselte Botschaft Jesu brauchen. Nun – nach unserer Hypothese – hat eine der beiden Organisationen sie den Essenern gestohlen. Und ich kann mir schlecht vorstellen, dass ich sie beim Bilderberg oder bei Acta Fidei abhole. Ich bin nicht bereit, noch einmal dorthin zu gehen.«
»Alles zu seiner Zeit. Erst mal die Mona Lisa.«
Sophie stand auf und schlüpfte in ihren Mantel.
»Wohin gehen wir?«, fragte ich und erhob mich ebenfalls.
»Nach London.«
Ich riss die Augen auf.
»Wie bitte?«
»Wir fahren nach London«, wiederholte Sophie und amüsierte sich königlich über meine Reaktion auf ihre Worte.
Stéphane Badji fand das allerdings nicht so komisch.
»Sie machen wohl Witze! Was, um Himmels willen, sollen wir in London?«, rief ich.
»Wir besuchen eine Freundin, die uns in Bezug auf da Vinci und Dürer weiterhelfen kann.«
»In London?«
»Ja. Los, Damien, Sie wissen doch, mit dem Eurostar ist es gar nicht so weit.«
Ich zuckte die Schultern.
»Wir reisen so, ohne alles?«
»Was heißt ohne alles?«
»Na ja, was weiß ich, wenn Sie wirklich wollen, dass Ihre Freundin uns hilft, müssen wir ihr ein paar Unterlagen mitnehmen. Zum Beispiel Dürers Manuskript.«
»Habe ich dabei.«
Sie deutete mit dem Daumen über die Schulter auf ihren Rucksack.
»Die Kopie der Mona Lisa?«
»Habe ich.«
»Gut«, seufzte ich. »Ich verstehe. François wird sich freuen! Gibt es niemanden aus unserer näheren Umgebung, der uns mit da Vinci und Dürer weiterhelfen könnte?«
»Nein. Niemand ist so gut wie sie. Und ich weiß, dass sie alles tut, um mir einen Gefallen zu erweisen.«
»Ist sie Künstlerin?«, fragte ich.
»Nein. Viel besser. Sie hat einen Magister in Mathematik und einen Doktor in Kunstgeschichte gemacht.«
»Respekt. Und was treibt sie in London?«
»Sie recherchiert
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