Das Jesusfragment
zum Schwarzärgern, nach allem, was wir erlebt haben!«
Ich nahm ihre Hand, und wir überquerten die Straße. Durch das Fenster der kleinen Kneipe, in der er auf uns wartete, sah Stéphane uns auf sich zukommen. Er schob einen zweiten Tisch an seinen und stellte Stühle für uns hin.
»Ist der Herr Abgeordnete noch da drin?«, erkundigte er sich und erhob sich.
»Ja, ja, nehmen Sie ruhig wieder Platz, wir werden auf ihn warten. Was willst du trinken?«, fragte ich Sophie.
»Einen Kaffee.«
Ich bestellte zwei Kaffee. Dann grinste ich breit.
»Was ist los?«, fragte Sophie erstaunt.
»Nichts. Ich mag bloß diese Atmosphäre. Du kannst dir nicht vorstellen, wie mir das in New York gefehlt hat. Die Pariser Cafés haben wirklich ein einmaliges Flair.«
»Damien, du bist ein großer Romantiker! Man muss wirklich lange in New York gelebt haben, um solche Sachen zu merken«, spottete Sophie.
»Gewiss. Es ist schon ein bisschen traurig. Erst wenn man etwas lange nicht mehr gesehen hat, wird man sich bewusst, wie ungeheuer schön es ist.«
»Das gilt auch für Menschen«, bemerkte Sophie. In diesem Augenblick brachte uns der Kellner unseren Kaffee in zwei kleinen weißen Tassen.
»Ja, ich kann dir nur sagen, ich habe meinen Vater zehn Jahre lang nicht gesehen, und als ich zurückkehrte, war er in meinen Augen immer noch ein Arschloch.«
Badji hätte sich fast verschluckt. Sophie runzelte die Stirn.
»Nicht sehr feinfühlig«, warf sie mir vor, »und ich bin mir nicht mal sicher, ob du auch wirklich meinst, was du sagst.«
»Wieso das?«
»Siehst du deinen Vater heute wirklich noch genauso wie vor elf Jahren?«
Ich zuckte die Achseln.
»Ich denke nicht darüber nach.«
»Ehrlich? Nun, du stellst dir keinerlei Fragen? Haben die vergangenen Jahre nichts an dem Bild geändert, das du dir von deinen Eltern gemacht hast?«
»Ich weiß es nicht.«
In Wirklichkeit wusste ich genau Bescheid. Es erschreckte mich, aber ich glaube, im Grunde meines Herzens war ich drauf und dran, meinem Vater zu verzeihen. Und ich war fast wütend auf mich, weil ich nicht mehr wütend auf ihn war.
Der Kerl hatte mir so viel Leid zugefügt. Und dennoch … Einen Augenblick schwieg ich. Sophie hatte gemerkt, wie aufgewühlt ich war, und sie drückte unter dem Tisch meine Hand.
François tauchte genau in dem Augenblick wieder auf, als unser Schweigen langsam unerträglich wurde.
»Gut«, verkündete er, als er an unseren Tisch trat. »Ich habe den Namen des Mannes, der den Stein 1940 gekauft hat.«
»Genial!«
»Kennen wir ihn?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte François.
Er zog einen Zettel aus der Tasche.
»Stuart Dean«, las er vor. »Ein Amerikaner, so unwahrscheinlich das auch klingt!«
Ich bemerkte, wie Sophie die Augen aufriss.
»Nein!«, rief sie ungläubig.
»Was?«
»Damien! Erinnerst du dich nicht an den Namen des Typen, der von Washington aus in meinen Computer eingedrungen ist?«
»Der amerikanische Generalsekretär vom Bilderberg?«
»Ja, genau. Er hieß Victor L. Dean! Das ist fast etwas zu viel Zufall!«
Nun kam auch meine Erinnerung zurück. Mein Herz schlug zum Zerspringen. Wir waren kurz vor dem Ziel. Die Schlinge zog sich zu.
»Sachte, sachte«, dämpfte François unsere Euphorie, »in Amerika heißen viele Leute Dean. Warum nicht James Dean, wenn ihr schon dabei seid?«
»Hm. Es ist trotzdem ein seltsames Zusammentreffen. Aber Sie haben Recht«, pflichtete Sophie ihm bei. »Wir müssen prüfen, ob es eine Verbindung zwischen den beiden gibt.«
»Ich kann also keinen Kaffee mehr trinken?«, protestierte François, der immer noch vor unserem Tisch stand.
»Sie können später einen trinken!«, erwiderte Sophie und erhob sich.
Mein Freund war sprachlos. Ich prustete los. Stéphane musste unwillkürlich grinsen und ging zum Auto voraus. Bestimmt hatte er auch noch nicht erlebt, dass jemand seinen Freund derart aus der Fassung brachte wie Sophie, und das amüsierte ihn genauso wie mich.
»Ich schlage Folgendes vor«, erklärte Sophie, während sie auf dem Rücksitz Platz nahm. »Ihr überprüft alles in einem Internetcafé und ich schau bei Jacqueline vorbei und zeige ihr das Notizheft und die Skizzen, die uns der Priester gegeben hat.«
»Du bist der Chef«, sagte ich ergeben.
Eine halbe Stunde später hatten wir Sophie bei ihrer Jacqueline abgeliefert, und jetzt befanden wir uns im Internetcafé in der Avenue de Friedland. François hatte ganz offensichtlich noch nie einen Fuß in ein solches
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