Das Jesusfragment
Dossier über uns. Das verkauft sich großartig.« Er warf Sophie einen gespielt ärgerlichen Blick zu.
»Gut, das reicht!«, lenkte sie ein. »Ich ärgere Sie nur, aber ich gehöre nicht zu der Sorte, die andere Menschen verfolgt! Die Leute sollen tun, was sie wollen.«
»Wissen Sie zum Beispiel, dass dieser Ort hier als Stabsquartier für die Anti-Freimaurer-Kampagne der Regierung diente?«, fuhr François fort.
»Tatsächlich! Da läuft es einem kalt den Rücken runter. Aber weiter, laut Sophies Text soll der Stein während des Kriegs verkauft worden sein. Und was hast du gefunden?«
»Ich habe in einem Kapitel über Napoleon eine Anspielung auf den Stein gefunden«, erwiderte François und deutete auf das Buch vor ihm.
»Ah ja? Erzähl!«
»Zuerst sollte ich euch vielleicht den Zusammenhang erklären.«
»Nur zu! Sophie kann bezeugen, was ich für eine Null in Geschichte bin!«
»Einverstanden. Im Gegensatz zu dem, was viele annehmen, hat die Revolution die Freimaurerei in Frankreich fast vernichtet. Auch wenn die Werte der Freimaurer von Gleichheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit zum Teil die Revolution inspiriert haben, kritisierte der Groß-Orient ab 1792 immer stärker die Auswüchse der entstehenden Republik. Mit der Folge, dass die Freimaurer einige Jahre lang verdächtigt wurden, Komplotte gegen die Republik zu schmieden, wirklich unglaublich! Das heißt, zwischen 1792 und 1795 war es schwierig, als Freimaurer in Frankreich zu leben, und viele Logen sind verschwunden. Erst gegen 1795 beginnen die Freimaurer in einem weniger feindseligen Klima, dem Impuls der Pariser Loge folgend, sich wieder zu rühren. Als Napoleon an die Macht kommt, sind die Freimaurer keine Gesetzlosen mehr, ganz im Gegenteil. Sogar viele Mitglieder der Familie Bonaparte waren Freimaurer. Napoleons Bruder, seine Schwager, seine Brüder, alle! Auch wenn man das Protokoll seiner Aufnahme nie gefunden hat, war er vielleicht selbst Freimaurer. Auf jeden Fall war sein Bruder Joseph Großmeister des Groß-Orients von Frankreich! Ganz zu schweigen von Cambacérès, dem Erzkanzler des Kaisers, oder von den elf von achtzehn Marschallen, die der Kaiser ernannt hatte, die alle Freimaurer waren wie Masséna, Brune oder Soult … Auf jeden Fall sieht Napoleon in den Freimaurern wichtige Verbündete und versucht, sie für sich einzuspannen. Ich lese euch den Brief vor, den Portalis, der Minister für innere Angelegenheiten und Religion, an Napoleon schrieb: Es war unendlich weise, die Logen zu leiten, da man sie nicht verbieten konnte. Die einzige Möglichkeit, sie daran zu hindern, zu illegalen und verhängnisvollen Versammlungen auszuarten, bestand darin, ihnen stillschweigend Schutz zu gewähren und sie von den ersten Würdenträgern des Staats leiten zu lassen. Das ist mehr als deutlich. Hier ist noch etwas, das euch interessieren dürfte: Das Kapitel in diesem Buch berichtet, wie Napoleon einem gewissen Ales d'Anduze, einem Würdenträger der Freimaurer, der kein Geringerer war als der Generalvikar des Erzbistums von Arras, mehrere kostbare Gegenstände zum Geschenk machte. Der Text erklärt auf ziemlich bizarre Weise, dass Napoleon besonderen Wert darauf legte, diese Gegenstände dem Kirchenmann zu schenken. Ich verstehe nicht, weshalb … Aber, was ratet ihr, befand sich unter diesen Geschenken?«
Wir antworteten einstimmig:
»Der Stein von Iorden.«
»Bingo. Ales d'Anduze hat ihn nach seinem Tod seiner Loge vermacht, die –«
»Trois Lumières hieß!«, beendete Sophie den Satz. »Hier schließt sich der Kreis.«
»Ja«, erwiderte ich, »nur dass wir nicht wissen, wie Napoleon die Reliquie besitzen konnte, noch warum er sie dem Vikar geschenkt hat.«
»Ich habe da meine eigene kleine Hypothese«, bemerkte Sophie.
Ich zwinkerte François zu.
»Wir hören«, versicherte er ihr.
Sophie warf einen Blick auf den Bibliothekar. Er schien mit seinem Computer beschäftigt zu sein. Wir verhielten uns ganz still.
»Gut. Die letzte Spur, die wir vom Stein von Iorden hatten – du erinnerst dich – ging ungefähr auf das Jahr 1312 zurück, als Papst Klemens V. dafür sorgt, dass der Johanniterorden die Reichtümer der Templer bekommt. Wo lassen sich die Johanniter dann nieder?«
»Auf Malta …«
»Genau. Und 1798 …«, fing Sophie an.
»… nimmt Napoleons Flotte die Insel Malta ein«, beendete François den Satz und nickt. »Aber ja, natürlich.«
»Sachte, sachte, ihr vergesst, wie ungebildet ich bin.«
»Okay, ich
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