Das Jesusfragment
nicht, wir haben hundertprozentig Ruhe.«
»Dann schick ich Ihnen ein Autogramm.«
Ich beschloss, dass es zweifellos besser war, Sphinx nicht zu verraten, dass ich die Absicht hatte, Sex Bot aufzugeben. Es war weder die Zeit noch der Ort dafür, und wir hatten wichtigere Dinge zu erledigen.
»Was gibt's Neues?«
»Wir sind gut vorangekommen. Erinnern Sie sich an Victor L. Dean?«
»Den Hacker vom Bilderberg?«
»Genau. Und der besitzt den Stein von Iorden.«
»Das ist hart!«
»Sie sagen es. Sie müssen bitte für uns noch eine kleine Recherche über Acta Fidei anstellen.«
»Ist mir ein Vergnügen! Erst recht seit ich ihren Server so gut kenne …«
» Vor drei Wochen wurde ein abgelegenes Kloster in der Wüste von Judäa dem Erdboden gleich gemacht und alle Mönche ermordet. Wir nehmen an, dass ein sehr wertvolles Dokument im Kloster aufbewahrt und beim Überfall gestohlen wurde. Wir würden gern wissen, ob ein Zusammenhang zu Acta Fidei besteht, und wenn das der Fall ist, ob sie das Dokument tatsächlich besitzen … Ah ja, noch etwas: die Mönche nannten sich Assayya.«
»Okay. Als Info ist das schon vage, aber ich will sehen, was ich tun kann.«
»Danke. Sie sind der Größte!«
»Ich weiß.«
»Übrigens haben Sie uns nie verraten, warum Sie das alles tun …«
»Doch, ich hab es gesagt … Es ist Hacker-Philosophie.«
»Na ja. Einverstanden, aber am Anfang, warum?«
»Sind wir bereits bei den Geständnissen?«
» Oh, Sie wissen viel mehr über mich.«
»Ich tu es, weil … ach, das ist eine Familiengeschichte.«
»Bestimmt! Wir alle haben unsere Familiengeschichten!«
»Klar. Meine könnte von Zola sein. Mein jüdischer Großvater ist im Krieg erschossen worden, meine Mutter kenne ich nicht, mein Vater ist ein ehemaliger militanter Trotzkist, der im Knast vermodert. Wer bietet mehr?«
»Okay, ich kapituliere. Er ist doch aber nicht im Knast, weil er Trotzkist ist?«
»Nein! Aber es wird ihm nicht geholfen haben. Auf jeden Fall nehme ich Rache. Ich tobe mich im Internet aus.«
»Ich hab's kapiert.«
»Gut, ich melde mich, wenn ich was Neues weiß.«
»In Ordnung.«
Sein Name verschwand vom Bildschirm.
»Wer ist der Typ?«, erkundigte sich François, der immer weniger verstand.
»Ich weiß nicht viel über ihn. Wir haben ihn nie gesehen. Zweifellos ein Junge. Wir haben ihn online kennen gelernt. Er hat uns sehr geholfen. Ich erzähle es dir später!«
»Solltest du jemals dazu kommen, kannst du gleich ein ganzes Buch schreiben.«
»Mach dir keine Sorgen. Ich denke, Sophie wird eine ausführliche Dokumentation daraus machen.«
Ich schaltete den Computer aus und wir standen auf, um das Internetcafé zu verlassen. Als wir draußen waren, klingelte mein Handy. Ich drückte die Ruftaste. Es war der Priester aus Gordes, der mir die Ankunftszeit des Uhrmachers mitteilte. Am frühen Nachmittag würde er am Gare de Lyon eintreffen. Ich dankte ihm und drückte auf die Rufende-Taste. Er hatte schnell reagiert.
Langsam hob ich den Blick zu François.
»Wie?«, murrte er, »du erwartest von mir, dass ich deinen Uhrmacher abhole?«
Ich nickte verlegen.
»Was würde ich nicht für dich tun? Gut, ich hole ihn ab und nehme ihn mit nach Sceaux.«
»Nimm Badji mit«, schlug ich vor, »ich komme hier schon zurecht.«
»Kommt nicht in Frage, Stéphane bleibt bei dir. Du brauchst ihn viel dringender als ich.«
Ich wusste, dass es keinen Sinn hatte zu widersprechen.
»Hältst du mich auf dem Laufenden?«, beharrte er.
»Ja.«
»Sei unbesorgt, ich werde alles tun, um dem Uhrmacher die Arbeit zu erleichtern.«
Er stieg in den Safrane, und ich begab mich mit Badji zu einem Taxistand. Die Dinge überschlugen sich.
*
Gegen Mittag kamen wir bei Jacqueline Delahaye an. Die beiden Frauen saßen auf dem Boden, inmitten des phänomenalen Durcheinanders dieser Wohnung im VII. Arrondissement. Um ehrlich zu sein, sah diese Wohnung noch schlimmer aus als die in London, weil Jacqueline schon eine Weile nicht mehr hier wohnte und über allem eine extrem dicke Staubschicht lag.
Sie hatten den Wohnzimmertisch zur Seite gerückt, die beiden Gemälde flach auf den Boden gelegt und saßen im Schneidersitz mitten im Zimmer, umgeben von Büchern und Dokumenten, und arbeiteten an den Notizen meines Vaters. Jacqueline öffnete uns die Tür. Zu meiner großen Überraschung umarmte sie mich herzlich, schob mich völlig aufgeregt ins Wohnzimmer und ließ Badji einfach in der Tür stehen. Der Bodyguard nahm
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