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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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Weißt du, was man unter Steganografie versteht?«
    »Hm, nein, Stenografie mit einer zusätzlichen Silbe?«
    »Sehr witzig!«, erwiderte Jacqueline. »Nein, das ist ein Verschlüsselungsverfahren, das im Wesentlichen darin besteht, eine Botschaft in einer anderen zu verbergen, zum Beispiel in einem Bild. Anstelle eines Codes, der sofort in die Augen springt, ist er in einer offenbar harmlosen Information versteckt. Heute wird dieses Verfahren in der Informatik häufig angewendet: Nichts ist leichter, als einen Code in einem Bild zu verstecken, weil ein digitalisiertes Bild selbst einen Code darstellt.«
    »Erinnerst du dich an das Foto, das wir für Sphinx in Libération veröffentlichen sollten? Das war sehr wahrscheinlich steganografiert!«
    »Um eine Botschaft in einem Computerbild zu verbergen, genügt es zum Beispiel einige Pixel zu verändern, deren Lage zuvor vereinbart wurde. Man ersetzt diese Pixel durch andere, deren Nummern die Buchstaben der Botschaft chiffrieren. Die Veränderung ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen.«
    »Genial!«, sagte ich anerkennend.
    »Nun denn«, erklärte Sophie, »wir nehmen an, dass da Vinci mehr oder weniger das gleiche Verfahren angewandt hat. Grob gesagt, dürfte er damit der Ahnherr der Computer-Steganografie sein.«
    »Nach ihm«, erläuterte Jacqueline, »haben sich weitere Maler einen Spaß daraus gemacht, Botschaften in ihren Bildern zu verbergen. Ein berühmtes Beispiel ist das Gemälde Die beiden Gesandten von Hans Holbein. Es stammt aus dem Jahre 1533, also vierzehn Jahre nach da Vincis Tod. Ein menschlicher Schädel ist auf der Unterseite des Bildes verborgen. Um ihn zu sehen, muss man das Bild verkehrt herum betrachten, weil die Zeichnung entstellt wurde. Das ist das Prinzip der Anamorphose …«
    »Wie beim Cinemascope? Unheimlich spannend! Und in der Mona Lisa?«
    »Dürfte der Code im Innern verborgen sein. Mit bloßem Auge wahrscheinlich nicht zu erkennen.«
    »Deinem Vater zufolge«, erklärte Sophie, »soll es vierunddreißig verborgene Zeichen in der Mona Lisa geben. Erinnerst du dich? Er hatte Kreise aufgemalt.«
    Sie zeigte mir die beschädigte Kopie der Mona Lisa. Ich zählte tatsächlich vierunddreißig mit Bleistift markierte Kreise.
    »Und habt ihr etwas gesehen?«
    »Nein«, erwiderte Jacqueline. »Wir wissen ja nicht genau, was wir suchen sollen. Vielleicht winzige Buchstaben, aber das würde mich wundern, denn die Mona Lisa wurde seit Jahrhunderten Millionen Mal mit der Lupe untersucht, und wenn es Buchstaben wären, hätte man sie entdeckt.«
    »Unbedingt«, stimmte Sophie ihr zu. »Man wird diese Zeichen nur mit der berühmten Maschine sehen können!«
    »O verdammt!«, rief ich. »Das ist reiner Wahnsinn!«
    »Wir hatten dich gewarnt!«
    »Und das ist noch nicht alles«, fuhr Jacqueline immer aufgeregter fort, »dein Vater hat das nicht zufällig gefunden. Offensichtlich ist die Gebrauchsanweisung in Dürers Melancolia verborgen. Schau mal, dort zum Beispiel. Das magische Viereck.«
    »Na und?«
    »Die Summe aller waagrechten, senkrechten oder diagonalen Linien ergibt immer vierunddreißig.«
    »Die Zahl der verborgenen Zeichen in der Mona Lisa«, fügte Sophie hinzu.
    »Das ist ja fantastisch!«
    »Im Augenblick nehmen wir nur flüchtige Zusammenhänge zwischen der Melancolia und der Mona Lisa wahr. Da ist die Ausschmückung des Hintergrunds, die weibliche Person, die in beiden Werken eine beunruhigend männliche Note hat, das Polyeder von Melancolia, das ein direkter Hinweis auf da Vinci ist, und schließlich die Proportionen. Die Mona Lisa wurde auf ein Holzbrett von siebenundsiebzig mal dreiundfünfzig Zentimetern gemalt, was exakt dreimal so groß ist wie die Melancolia. Ich glaube, dass man tatsächlich aus der Melancolia erfahren wird, wie man die von da Vinci erfundene Maschine bedient, um die Mona Lisa zu entziffern. Sophie hat mir erzählt, dass die Maschine drei verschiedene Achsen hat, folglich mehrere mögliche Positionen, und vor allem Spiegel und Vergrößerungsgläser. Ist das so?«
    »Ja.«
    »Ich könnte wetten, dass es vierunddreißig verschiedene Positionen gibt, die es ermöglichen, die vierunddreißig verborgenen Zeichen auf der Mona Lisa zu erkennen. Das Problem ist: Ich frage mich, wie wir sicher sein können, dass die Zeichen überlebt haben. Die Mona Lisa ist nicht besonders gut erhalten. Leonardo hat als guter Chemiker seine Farben selbst hergestellt. Das vergrößerte sicherlich seine Freiheit, und wie schon

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