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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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allein. Schrecklich allein. Und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Weinen. Mich erinnern. Verzeihen.
    Ich schluckte schwer und trat einen Schritt zurück.
    »Stéphane, leben Ihre Eltern noch?«
    Er trat langsam näher.
    »Ja. Aber sie sind nach Dakar zurückgekehrt. Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen.«
    »Badji, glauben Sie an Gott?«
    Er zögerte. Ich blickte starr auf meinen in Marmor gemeißelten Namen, aber er sah mich direkt an. Ich glaube, er versuchte, den tieferen Sinn meiner Frage zu verstehen.
    »Wissen Sie«, sagte er schließlich mit seiner sanften, dunklen Stimme, »man muss nicht unbedingt an Gott glauben, um sich vor einem Grab zu sammeln.«
    Ich nickte. Er hatte den Sinn meiner Frage verstanden. Besser als ich ihn selbst verstand.
    Ich blieb noch einen Augenblick still stehen, dann machte ich auf dem Absatz kehrt.
    »Gut, gehen wir.«
    Er lächelte mich an und wir lenkten unsere Schritte auf den Ausgang des Friedhofs zu. Meine Kehle war zugeschnürt, aber ich fühlte mich wohl. Ich fühlte mich besser.
    *
    Mittag war vorüber, als Badji und ich ein anderes Internetcafé betraten. Ich schrieb mich am Eingang ein und setzte mich vor einen Computer. Ich war ungeduldig, weil ich wissen wollte, ob Sphinx endlich wieder online war. Allmählich begann ich mir Sorgen um ihn zu machen. Ich hatte den Satz nicht vergessen, den er bei unserem ersten Gespräch zu Sophie gesagt hatte: Big brother is watching .
    Ich suchte meine Programme, aber dieser Rechner verfügte weder über IRC noch über ICQ. Ich musste sie also selbst installieren, um mit Sphinx Kontakt aufnehmen zu können. Ich wurde immer ungeduldiger, klickte auf einen Internet-Explorer, um die Programme zum Downloaden zu suchen. Das Herunterladen dauerte einige Minuten, und die übertrieben lange Installation strapazierte meine Nerven erst recht.
    Gegen zwölf Uhr dreißig loggte ich mich endlich auf dem chilenischen IRC-Server ein. Mit zitternden Fingern suchte ich unseren geheimnisvollen Gesprächspartner. Die Liste der Channels erschien auf dem Bildschirm, aber weit und breit keine Spur von Sphinx. Ich schlug mit der Faust auf den Tisch. Dann wollte ich einen letzten Versuch unternehmen. ICQ. Ich gab die Nummer des Hackers ein. Immer noch nichts. Er war weder online, noch hatte er die Nachricht gelesen, die ich ihm hinterlassen hatte. Dieses Mal geriet ich in Panik. Wir hatten Sphinx in diese Geschichte verwickelt, und ich würde es mir nie verzeihen, wenn ihm etwas zustoßen würde.
    »Scheiße«, fluchte ich und griff nach meinem Handy.
    Ich tippte Sophies neue Nummer ein. Ich musste sie benachrichtigen und fragen, ob es eine andere Möglichkeit gab, mit dem Hacker Kontakt aufzunehmen. Aber sie hatte ihren Anrufbeantworter eingeschaltet.
    »Sophie, ich bin's, bitte ruf mich zurück, sobald du diese Nachricht hörst«, sprach ich ihr aufs Band und schaltete mein Handy wieder aus.
    Dann schlüpfte ich in meinen Mantel.
    »Wir gehen jetzt zum Essen ins Hotel, dort lässt es sich besser warten«, schlug ich Badji vor.
    Nachdem wir dem Pariser Stau zur Mittagszeit entkommen waren, gelangten wir ins Splendid. Ich überließ den Wagen einem Hotelangestellten, und wir betraten unter der Markise im Art-Nouveau-Stil die Hotelhalle. Ich wandte mich direkt an die Rezeption.
    »Ist zufällig eine Nachricht für mich hinterlegt worden?«
    Wir hatten uns unter falschem Namen angemeldet, und die Chance, dass man uns eine Nachricht hinterlassen hatte, war gering. Sophie, die viel Fantasie besaß, war nichts Besseres eingefallen, als uns unter Monsieur und Madame Gordes einzutragen.
    Der Empfangschef schüttelte bedauernd den Kopf.
    »Sind Sie sicher?«, beharrte ich.
    Der Empfangschef runzelte die Stirn.
    »Ganz sicher. Es ist keine Nachricht für Sie da. Das heißt, die junge Dame dort sucht eine gewisse Mademoiselle de Saint-Elbe. Ich habe ihr gesagt, dass bei uns niemand unter diesem Namen gemeldet ist, aber sie bestand darauf zu warten. Heißt Ihre Frau zufällig so?«
    Ich wandte mich ruckartig um und schaute in die angedeutete Richtung. Auf einem Sofa in der Hotelhalle saß ein junges Mädchen, das höchstens achtzehn Jahre alt war. Sie hatte langes braunes Haar, eine runde Brille. Sie war schlank, trug von Kopf bis Fuß Jeansklamotten und um den Hals einen riesigen zerknitterten Schal, der ihr bis zu den Knien reichte. Sie kaute nervös einen Kaugummi und schien sich sehr unwohl zu fühlen. Ich hatte sie noch nie gesehen und fragte mich, wer

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