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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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über ICQ miteinander reden, scheint sich ein Haufen Leute für meinen Rechner zu interessieren. Zum Glück ist mein Computer gepanzert, aber die Angriffe hören nicht auf.«
    »Jemand versucht, Ihren Rechner zu knacken?«
    »Genau.«
    »Der begossene Begießer .«
    »Na ja, außer, dass ich nichts riskiere. Aber Sie dagegen …«
    »Glauben Sie, dass man versucht, an meine Daten zu kommen?«
    »Sie nicht?«
    »Doch, ist sogar ziemlich wahrscheinlich. Was kann man tun?«
    »Da Sie sich nicht so gut auskennen, könnte man erst mal einen Logger installieren.«
    »Was?«
    »Ein kleines Programm, das ich geschrieben habe und das alle IP-Transaktionen auf Ihrem Rechner überwacht. Das schützt Sie nicht vor Hackern, aber es ermöglicht Ihnen, alle zu sehen.«
    »Sie werden mir doch keinen Virus verpassen?«
    » Pfff .«
    »Heißt das, Sie werden dann Zugang zu meinen Dateien haben?«
    » Wenn Sie einverstanden sind. Ich erinnere Sie, dass ich Ihnen die brisanteste Ihrer Dateien geliefert habe.«
    Sophie wandte den Kopf in meine Richtung.
    »Was sollen wir tun? Sollen wir ihm vertrauen?«
    »Wenn er unsere Daten hätte knacken wollen, hätte er es längst tun können, da bin ich mir sicher. Vielleicht hat er es sowieso bereits getan.«
    »Soll ich ihn also sein Programm auf meinen Rechner installieren lassen?«
    »Wenn uns das einen gewissen Schutz bieten kann.«
    »Okay, schicken Sie es.«
    »Gut. Sie installieren das Programm und holen Ihre wirklich wichtigen Dateien vom Rechner runter. Speichern Sie sie auf Diskette oder CD-ROM.«
    »In Ordnung. Wird gemacht. Morgen erscheint Ihr Foto in der Libé .«
    »Ehrlich? Echt stark!«
    »Wir hören voneinander, wenn es Neues gibt?«
    »Geht in Ordnung.«
    Das Hotel besaß kein Restaurant, und wir beschlossen, essen zu gehen. Paris im Mai hat von jeher etwas Besonderes, nicht erst seit 1968 oder seit Aznavour. Der Frühling ist zu Ende, gemächlich breitet sich ein Sommer aus, der weiß, wie man auf sich warten lässt, die Blätter sprießen, der Flieder duftet. Wir schlenderten zwischen dem Eiffelturm und dem Invalidendom eine Weile an der Militärakademie im Schatten des linken Seineufers entlang, in einer kühlen Abendbrise, die aus jedem Lächeln ein gezwungenes werden lässt.
    Nach einem Umweg über die Seine entschieden wir uns schließlich für eine große in Rot und Schwarz gehaltene Brasserie an der Place de l'École Militaire, wenige Schritte vom Tourville entfernt. Als Jugendlicher hatte ich mehrmals dort gegessen und wusste, dass die Meeresfrüchte garantiert frisch waren. Das Restaurant hatte sich nicht verändert. Dieselben Lederstühle, dieselben Kupferkessel, dieselbe Hektik, das Geräusch von klapperndem Besteck und Stimmen, die sich vermischen: die Pariser Brasserie schlechthin. Und der Kellner, ein mit Amphetaminen vollgepumpter Pinguin, der einem nie in die Augen schaut, der ständig den Flaschenöffner in seiner Jackentasche umklammert hält, der nie den Wein vergisst, den man bezahlt, den man aber mehrere Male an Wasser und Brot erinnern muss. Paris wird immer Paris bleiben. Wir speisten ausgiebig, dann kehrten wir am späten Abend ins Tourville zurück.
    Kaum waren wir auf dem Zimmer, zog Sophie ihre Schuhe aus, warf sie unter einen Stuhl und ging schlafen. Ich beobachtete, wie sie sich auf dem Bett ausstreckte, dann setzte ich mich an den Schreibtisch und vergrub meinen Kopf in den Händen. Sophies Laptop vor mir erinnerte mich an meine Arbeit. Meine Drehbücher. Alles war in Gordes geblieben. Ich hatte keine Möglichkeit, auch nur irgendetwas dagegen zu unternehmen. Und in gewisser Weise war ich beinahe erleichtert. Sex Bot motivierte mich nicht mehr. Nicht einmal New York fehlte mir.
    Als ich meinen Blick auf Sophies Bett richtete, sah ich, dass sie eingeschlafen war. Das schwache Licht meiner Schreibtischlampe breitete einen hauchdünnen gelben Schleier über ihren anmutig ausgestreckten Körper aus. Ein friedliches Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Nie war sie mir so sanft erschienen. In Morpheus' Armen war sie schöner denn je.
    Ich musste es mir eingestehen: Ich war verliebt in diese Frau. Verliebt in eine Frau, die auch Jungs liebte. So hatte ich noch nie für eine Frau empfunden. Bestimmt nicht für Maureen, auch nicht ganz zu Anfang. Sophie war anders. Unabhängig. Schön, in ihrer Einsamkeit. Warum, zum Teufel, sollte ich nach New York zurückkehren?
    Ich öffnete das E-Mail-Programm auf dem Laptop und schrieb an meinen Agenten:
    »Lieber

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