Das Jobinterviewknackerbuch
Punkt gebracht: »Manchmal sieht man jemanden zur Tür reinkommen und weiß: Das ist ein Arschloch.« Den Effekt kennen wir alle. Doch welche Wirkung hat er auf Personaler und wie kommt es überhaupt dazu?
Für den ersten Eindruck gibt es eine zweite Chance
Dass der erste Eindruck zählt, ist eine Volksweisheit, der kürzlich Murray Barrick, Brian Swider und Greg Stewart von der Texas A&M University nachgegangen sind. Sie führten 189 Interviews mit Studenten durch, und siehe da: In den ersten zwei bis drei Minuten der Kennenlernphase – also noch vor dem eigentlichen Job-Interview – entscheidet sich, welcher Kandidat den Job bekommt. Interessant dabei ist, dass die Interviewer in diesen ersten Minuten nicht nur darüber entscheiden, ob sie einen Kandidaten mögen (»liking«) oder ob sie sich ihm ähnlich fühlen (»similarity«), sondern auch darüber, ob sie ihn für kompetent halten (»competence«). Dieses Urteil bestimmte die Gesamtbewertung maßgeblich.
|52| Anfang gut, alles gut?
So einfach ist es auch wieder nicht, findet Karl Westhoff, Universitätsprofessor für Diagnostik und Intervention an der TU Dresden. Ihm zufolge kann sich insbesondere eine positive Voreinstellung problematisch auswirken, weil dann nicht genug Reflexion stattfindet und das Gespräch zwar freundlich verläuft, aber unsachlich. Stellt der Interviewer während des Gesprächs fest, dass der Kandidat seinem positiven ersten Gefühl doch nicht entspricht, kann er sich enttäuscht fühlen und unfair werden.
Fazit
Es ist enorm wichtig, einen guten ersten Eindruck zu machen – aber dieser erste Eindruck rettet Ihnen nicht automatisch den Hals. Und wenn Sie einen schlechten ersten Eindruck gemacht haben, heißt das auch nicht automatisch, dass Sie schon verloren haben. Sie haben immer noch eine, wenn auch kleinere, zweite Chance. Und zwar dann, wenn der Interviewer über eine selbstkritische und reflektierte Grundhaltung verfügt – etwa wie Raymond Opszalski, Director Human Resources der DIS AG: »In 70 Prozent der Fälle stimmt der erste Eindruck, den ich von einem Bewerber habe«, schätzt er. »Aber ich habe auch schon Leute eingestellt, über die ich im ersten Moment gedacht habe, das geht gar nicht.« (Das komplette Interview mit Raymond Opszalski finden Sie auf den Seiten 125).
Knacker: So hinterlassen Sie einen guten ersten Eindruck
In vielen Fällen werden Sie von einer Assistentin in den Besprechungsraum geführt – es ist aber noch kein Personaler drin. »Nehmen Sie schon Platz, Ihr Gesprächspartner kommt gleich!«, sagt sie Ihnen.
|53| Sie tun gut daran, auf diese Anweisung nicht zu hören. Sie setzen sich also nicht hin, schenken sich noch keine Cola ein und essen auch noch keine Kekse. Warten Sie lieber, bis Ihr Gesprächspartner kommt. So müssen Sie zur Begrüßung nicht erst aufstehen, sondern können gleich auf Augenhöhe punkten.
In der Regel werden Sie Ihren Gesprächspartner per Handschlag begrüßen. Es kann aber auch sein, dass Sie einem Bakterienphobiker oder einem Hektiker gegenüberstehen, der Ihnen die Hand nicht gibt. Bestehen Sie nicht darauf. Im Business hat der Ranghöhere das Recht, Ihnen die Hand zu reichen – oder es sein zu lassen.
Wenn Ihnen zu Beginn des Gesprächs feierlich Visitenkarten überreicht werden, stecken Sie diese kleinen Meisterwerke der Druckkunst nicht einfach achtlos in die Hosentasche. Lesen Sie die Karte mit besonderer Aufmerksamkeit für akademische Titel. Wenn auf der Karte steht, dass Herr Müller promoviert ist, sollten Sie ihn anschließend immer mit »Herr Doktor Müller« ansprechen.
Chemiebaukasten für Bewerber
Jetzt stehen wir vor der Frage: Wie kommt es überhaupt zu einem »ersten Eindruck«? Viele Personaler – und auch Autoren, die stapelweise Bücher über Liebesbeziehungen schreiben – erklären die Wucht des ersten Augenblicks mit dem Wort »Chemie«. Es knallt und knistert, es fliegt in die Luft, fließt ineinander oder stößt sich ab, vielleicht tut sich auf der Ebene der Elemente auch überhaupt nichts – jedenfalls ist die Rede von der passenden Chemie so anschaulich und verbreitet, dass sie als Erklärung einfach akzeptiert wird. Sie funktioniert als praktisches Totschlag-Argument, was außerordentlich ärgerlich ist. Denn die Chemie-Metapher transportiert die Unterstellung, dass der Kontakt zwischen zwei Menschen nach Naturgesetzen abläuft, auf die wir keinen Einfluss nehmen können. Das können wir natürlich nicht so stehen lassen,
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