Das Jobinterviewknackerbuch
überhaupt nichts mehr zu tun hat mit dem, was in einem Bewerber vorgeht, kommt bei niemandem gut an – auch nicht bei Personalern. Zu viel Pokerface schadet.
Auf der anderen Seite wäre es allerdings völlig unangemessen, im Vorstellungsgespräch jegliche Contenance und jede Distanz zu den Gesprächspartnern aufzugeben, nur, um authentisch zu wirken. Wer im Gefühl völlig aufgeht, ist kein Profi: Er agiert blind und eckt an. Zu viel Lächeln schadet, Heulen ist sowieso tabu.
Das sagt der gesunde Menschenverstand, das sagen aber auch Rob Goffee und Gareth Jones, Experten für Organisation an der London Business School, in der
Harvard Business Review
: »So paradox es klingt: Gute Manager müssen ihre Authentizität unter Kontrolle bringen.« Sie brauchen das richtige Maß an Gefühl und Verstand. Denn Authentizität funktioniert offenbar nur, wenn sie im Kern rational gesteuert ist. Und sie kommt nur dann an, wenn Sie als Bewerber auch mit dem Herzen dabei sind.
|86| FAKTOR STALLGERUCH
Warum Personaler am liebsten Leute einstellen, die so ähnlich riechen wie sie selbst
Nun kommen wir zu den Dress- und Benimmcodes, die Michael Hartmann als erstes und besonders wichtiges Merkmal einer erfolgreichen Persönlichkeit genannt hat. »Codes« klingt so geheimnisvoll, wir sprechen lieber von »Stallgeruch«. Sie wissen schon, was damit gemeint ist. Stellen Sie sich einen erfolgreichen Geschäftsmann aus der Finanzbranche vor, der aus einer Familie stammt, die seit vielen Generationen erfolgreiche Geschäftsleute hervorbringt und vielleicht sogar auf Vorfahren verweisen kann, die irgendwann einmal einen Adelstitel bekommen haben. Wie sieht so einer aus? Wahrscheinlich so: Geschmackvoller, perfekt sitzender Anzug, Hemd aus feinem Zwirn mit Umschlagmanschetten, Manschettenknöpfen und eingestickten Initialen, edle Krawatte, rahmengenähte Schuhe, Kniestrümpfe, Uhr in limitierter Auflage, gepflegtes Haar, vielleicht Hornbrille. Selbstverständlich verfügt er über ausgesprochen gute Manieren, auch wenn er diese nicht immer zeigt.
Dagegen ein Handwerksmeister, ebenfalls in der X-ten Generation erfolgreich: Er wird einen eher einfachen Anzug tragen, ein Hemd ohne Manschetten, sportlichere Schuhe und Socken. Wahrscheinlich sitzt er aber in Jeans und Pullover im Büro.
Sie sehen schon, worauf wir hinauswollen: Je nach Position (Vorstand oder Azubi) und Branche sieht man völlig verschieden aus und man benimmt sich auch völlig unterschiedlich. Das hat nichts mit »gut« oder »schlecht« zu tun, es handelt sich einfach um soziale Konventionen.
Wir unterstellen, dass Personaler im Vorstellungsgespräch eine Art |87| Milieucheck vornehmen. Sie wittern Ihren Stallgeruch und vergleichen diesen mit dem eigenen. Wenn es passt – gut. Wenn nicht – Pech. So kommt es, dass Leute mit schlechteren Qualifikationen Ihren Job bekommen, nur weil sie den richtigen Anzug getragen und gewusst haben, auf welche Art von Small Talk der Personalchef anspringt.
Geschlossene Gesellschaft
Vier von fünf Managern der 100 größten Unternehmen stammen aus den oberen 3 Prozent der Bevölkerung, dem Großbürgertum. Bei den meisten Vorstandschefs sind die Eltern Unternehmer, Manager, hohe Beamte oder entstammen dem Adel – sagt Eliteforscher Michael Hartmann in seinem Buch
Elitesoziologie
. Daraus folgt: Wenn Sie oben mitspielen wollen, aber nicht sowieso schon oben zu Hause sind, dann haben Sie keine Chance. Sie werden einfach nicht reingelassen.
Davon jedenfalls geht Michael Hartmann aus: »Alles in allem gilt die Regel, dass der Zugang zu Elitepositionen sozial umso geschlossener ist, je kleiner der Kreis der Personen, die über die Besetzung entscheiden, und je informeller das Auswahlverfahren.« Dieses Phänomen hat Max Weber »soziale Schließung« genannt. Die Statusgruppe passt auf, dass kein Fremdling eindringt. Nur wer die richtigen Verhaltensweisen und Kompetenzen mitbringt (genug Geld, die richtigen Zeugnisse und Zugehörigkeiten), darf mitmachen.
Manager wird man offenbar nicht, weil man besonders leistungsfähig ist, sondern weil man dazu geboren wurde. Es gibt zwar immer wieder auch Ausnahmen: Jürgen Schrempp zum Beispiel, der aus einfachen Verhältnissen kam. »Aber als er gehen musste, lachte man bei der Deutschen Bank in Frankfurt diabolisch auf: Endlich war er weg, der Parvenü. Er war ihnen zu laut, zu wenig distinguiert«, so Hartmann. »Aufsteiger bekommen oft Chancen in Umbruchzeiten, wenn Umstrukturierungen anstehen.
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